Sonntag, 1. Februar 2015

11 März 1978, Freitag

Kalendergeschichte zum Thema Angst

Nichts zu sehen oder hören von Anne, seit Tagen schon! Nein, vergessen habe ich sie nicht - leider. Denke andauernd an sie. Hasse den grenzdebilen Ausdruck auf meinem Gesicht – dies selige Lächeln.

'Fratze der Liebe - verachtenswert, verletzbar, ungeschützt, angreifbar', grunzt mein Ego verächtlich auf. 'Na ja, schön wäre es ja gewesen. Fühlte sich halt verdammt gut an', jammere ich vor mich hin. 'Ein Anruf reicht - du MUSST die Nacht nicht allein verbringen, du WILLST', mault mein Ego beleidigt zurück.

Bin wieder Profi, eiskalt und unnahbar – hab sogar Renate zum Teufel gejagt. Verbringe die Zeit lieber mit Musik machen und hören.

Klingeln an der Haustür.
Jeder der mich kennt kommt einfach so rein, wenn Licht an ist. Muss also ein Fremder sein – oder vielleicht ja doch Sie? 'Schön wäre es ja doch, oder', frage ich, mein Ego schweigt frohlockend.

"Komm setzt dich, ich komme sofort. Willst du was trinken", frage ich sie. Zeit gewinnen, Gefühle unter Kontrolle bringen. Panik bekämpfen!

'Mein Herz rast, meine Augen leuchten, Nervosität, Glücksgefühle - Hilfe', bettele ich mein Ego vor dem Spiegel an. 'Keine Panik - ist keine Liebe, du kannst nicht lieben. Ist nur die Vorfreude auf die Nacht', beruhigt mich mein Ego. Der will nichts verpassen, alles mitnehmen was geht. 'Hast Recht, bin Profi – ich vergaß, befürchtete nur das...'.

Ruhe kehrt wieder ein.
Trau mich zurück zu ihr, mische für uns Cola-Rum. Ein Anblick – zum Sterben und der offene Blick, das vertraute Lächeln, schlagartig ist das Kribbeln wieder da.

"...Renate hat mich am Mittwoch abgepasst, ich habe dich so vermisst, musste Tag und Nacht an dich denken...".

Volle Breitseite - ich will das nicht hören.
Ich ertrage keine Gefühle, keine solchen – bin doch grad erst wieder in der Spur. "Wir haben uns kennen gelernt, damit ich dir helfe deine Unschuld zu verlieren, und nicht mehr!" - Knallhart presse ich diesen Satz hervor, jage mir so selbst die Klinge in die Brust.

Siedendheiß stürmt ihr Schmerz auf mich ein.
Ihre Augen verdunkeln sich.

"Schon vergessen", versuche ich es mit sanfter Stimme zu entschärfen, mir meiner Dummheit bewusst.

Eine kleine Träne von ihr... nur diese eine, nicht mehr.
Sie rinnt über ihr zartes Gesicht, zerreißt mir mein Herz.

Zeit verrinnt, hab keine Ahnung was ich machen soll... Chaos pur in meinem Kopf.
Ihr nervöses Zappeln auf dem Stuhl, und ein erlösendes: "ob wir es uns nicht bequemer machen können?". Alte Taktik der Frauen. Ich kenne alle Tricks. Doch ich bin so schwach und hilflos - in ihrer Gegenwart.

Ich willige ein, nur zu gerne sogar.
Seit Tagen habe ich das Gefühl ihrer weichen Haut in meinen Fingerkuppen gespeichert. Ich will ihre Berührungen wieder genießen. Abstürzen in ihren Augen. Haltlos treiben und - einfach nur sein...

Und doch auch wieder Macht ausüben. Sie beherrschen und benutzen um meinem Ego zu huldigen.

Wir ziehen uns gegenseitig aus, diesmal. Keine Scheu mehr bei ihr aufzutreiben. Selbstsicher. Genüsslich. Wir stehen uns nackt gegenüber, ich halte sie in den Armen. Mein Blick geht ins Leere an die Wand. Soviel kleiner ist sie. Zart, zerbrechlich schmiegt sie sich an mich.

Ihre Wärme, ihr Geruch dringt in mich ein, in jede Faser meines Körpers. 'Ihr wird es genauso gehen', mein einziger Trost.
Hände erforschen Körper, vertrautes Gelände – zielsicher. Mein bestes Stück reckt sich ihr entgegen. Gegen meinen Willen! Ohne Scheu nimmt sie es zur Kenntnis.

"Eine Erektion - ist die Verbeugung vor der Weiblichkeit der Frau".
Ich musste es einfach sagen. Spaß muss sein, und sie sollte es so lernen bei mir. Wir haben beide herzlich, ja albern, gelacht und uns aufs Bett begeben.

'Die Wellenlänge stimmt. Das Gefühl passt, aber Achtung - Profi bleiben. Gerne mögen ist OK, aber mehr nicht', schreit mein Ego mir noch zu.

Wir sitzen uns gegenüber, sie am Kopf- und ich am Fußende des Bettes. Ungeniert lassen wir unsere Blicke über die Körper streichen. Nein, es geht nicht um Lüsternheit dabei, wie bei den kleinen Jungs. Es geht um die unbegreifliche Schönheit ihres Körpers. Für mich jedenfalls. Immer wieder haut mich das um. Keine Ahnung was sie dabei empfindet, wenn sie mich so anschaut.

Wir reden und rauchen dabei.
Belanglosigkeiten. Was man so redet, wenn man sich vertraut. Es ist alles so natürlich, so klar. Ich sollte bei ihr bleiben – denn sie könnte meine Seele heilen, da sie mich versteht, ahnt wie ich ticke. Obwohl wir uns doch erst so kurz kennen.

Sie langt zu mir rüber, zieht mich unter Lachen an den Beinen langgestreckt aufs Bett. Legt sich auf mich, vergräbt mich unter ihrem Körper, und sich in meine Augen. Meine Hände fahren langsam an ihrer Wirbelsäule entlang, erreichen ihren Hintern. Folgen weiter den Konturen. Sie hält mein Gesicht in ihren Händen gefangen, und lässt mich gewähren. Ihre Augen lassen mich nicht wieder los.

Oh Gott – bitte nicht, nicht sie, nicht ausgerechnet jetzt!
Ich kenne diesen Blick. Ich höre die Worte - bevor sie diese aussprechen kann. Zu oft habe ich es schon erlebt. Immer und immer wieder kommt er, dieser grausame Moment der alles kippt – weil Hormone den Verstand grad lahm legen.

"...hol kurz was zu trinken, fang bloß nicht ohne mich an..."
So rette ich mich davor - diese Worte ertragen zu müssen. Kann es einfach nicht mehr - von zu vielen Lügen und Enttäuschungen gequält. Ganz Profi eben, und zu feige der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Wortlos rollt sie sich von mir runter.
Der Blick gebrochen, der Moment entzaubert.


"...nicht wieder aufhören, bitteee...", fleht sie mich bettelnd an. Ich habe Mitleid mit ihr, entlasse sie in die höchste Sinneslust.

Ich habe es genossen, ohne selber mitzugehen. Bin Profi, kenne mich aus. Hab mich entzogen, ihren sanften Händen, mich zwischen ihre Schenkel gerettet. Fasziniert von dort ihr Gesicht im Blick gehalten, meine Lippen und Zunge machen lassen. Ihren Busen bewundert, der wie ein Fels steht, sich nicht regt, obwohl der Brustkorb rast. Hände in das Schamhaar vergraben, sogar den Bauch zerkratz, und den Verstand aus ihr rausgesaugt. Pausen gemacht, bevor sie kommen konnte.

In der Zeit - meinen Atem über ihr Zentrum der Weiblichkeit gejagt. Ein schwacher Luftzug nur, der sich im Haar verfängt, sie erzittern lässt. Die Schenkel gestreichelt, sinnlich, ohne Gier. Nur den Härchen mitgeteilt, wie nahe ich dem Ziel bin. Bin nicht in sie eingedrungen, außer mit der Zunge sanft. Habe ihre Mimik - den verlorenen Blick, den verzerrten Mund, die bebenden Nasenflügel bewundert. 'Alles mein Werk' - dabei gedacht. Habe sie erforscht und genossen. Frei von männlicher Geilheit, bei klarem Verstand. Als 'lesbischer Mann' nur - ein Hochgenuss für mich, wie er mir leider zu selten gelingt.

Jetzt liegen wir uns in den Armen.
Mein Kopf auf ihrer schweißnassen Brust. Vom heftigen Atem wiegend hin und her bewegt, lausche ich ihrem Herzschlag. So friedlich ist es.

Sie riecht so unglaublich – so gut, ihr Schweiß schmeckt lüstern. Zeit zerfließt für uns zwischen den Gefühlen. Welten haben aufgehört sich zu drehen.

Ich habe gesiegt, uns bezwungen. Ihr Freude gemacht und mich belohnt - könnte noch Stunden so verbringen. Wie abwesend gleiten ihre Hände durch mein langes Haar...

"Heute nicht... bitte, ich kann das nicht... nicht einfach so... ich... ich brauche Zeit. Ich respektiere dich dafür zu sehr. Du bist doch nicht nur...", habe mich ihr verweigert, für diese Nacht. Bin noch zu weiblich, nicht Manns genug für ihr Verlangen...

"...Morgen, ja da wird es passieren,...", schiebe ich sie zur Tür raus. "Ich sterbe doch auch vor Lust", lüg ich sie zum Abschied noch an.

So habe ich sie dann gehen lassen.

Warum? Panik hab ich – reine Panik.
Ich habe eine Ahnung davon bekommen, wie es sein wird, wenn ich als Mann in ihr bin. Es wird nichts da sein, was uns trennen wird, da sie die Pille nimmt. Kein Schutzschild aus Gummi wird etwas von dem Kampf in ihrem Innern für mich mildern. Ihre Hitze wird mich direkt umschließen, an mir zerren. Und sie wird versuchen mich in sich zu vernichten. Ich werde mich verlieren, werde versinken in dem Strudel mit dem sie mich verschlingen will. Das ist für mich klar, aber auch nicht zu ertragen.

Ich muss mich erst wieder fangen, in mir ruhen.
Kraft schöpfen für diesen Kampf.
Ich will schlafen, kann aber nicht.
Müde bin ich schon – irgendwie.
Aber überall ist ihr Geruch um mich herum.
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihr Gesicht.
Wie es sich in höchster Anspannung verzerrt, sehe ich es vor mir. Eine unbändige Lust überkommt mich. Ich fühle sogar wieder ihr Schamhaar, das meine Nase sanft kitzelt.

Ich verschaffe mir Erleichterung, kurz - und brutal mir selbst gegenüber. Mehr als Strafe dafür das ich sie nicht 'genommen' habe, als aus Freude oder Notdurft.

 weiter mit: 12 März 1978, Sonnabend

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