Vom Liebreiz der Frauen




Inhalt

  1. Von hilfsbereiten Damen
    aus gehobener Gesellschaft
  2. Oberstudienrätin Sonja
  3. Die rote Rita
  4. Babyspeck
  5. Eine Dame von Welt
  6. Elena [Kurzfassung]
  7. Petra
  8. Sabine - ein Tag am Meer
  9. Nach dem Davonfliegen
    der Schmetterlinge aus dem Bauch
  10. Elena [Langfassung]
Impressum



Von hilfsbereiten Damen
aus gehobener Gesellschaft
Drama zum Thema Existenz

Am Tag:
Du nimmst lässig deine Brieftasche, zahlst die Unterwäsche [Calvin Klein], Strümpfe [Burlington] sowie die Lederhose [Country Maddox] an der Kasse.

Am Abend:
Du nimmst gierig meinen Körper, ich zahle jetzt für die Unterwäsche, Strümpfe sowie die Lederhose und dem Essen widerwillig mit meiner Seele.

In der Nacht:
Ich schleiche mich nach Tagen endlich weg, satt, gebadet, frisch eingekleidet und mit ein paar Scheinen in der Tasche. Zahle jetzt für meine Seele, meinen Stolz sowie meine Freiheit wieder mit Dreck, Kälte und Hunger.

Jedoch nur bis zum nächsten Mal, denn es gibt zu viele von ihnen: den hilfsbereiten Damen aus gehobener Gesellschaft.


Anmerkung:
Gesprächsthema war: Leben auf der Straße

Tischler sagt: "Nein, ich habe nie eine von ihnen bestohlen. Dann hätte mich doch nie wieder eine mitgenommen ... die kannten sich doch untereinander und haben mich durchgereicht. Wie hätte ich dann noch jemals mein Geld verdienen und aus dem Dreck rauskommen sollen? Außerdem wollten viele auch nur Reden oder sich mit mir zeigen. Übrigens - Sex war eher die Ausnahme, als die Regel".




Oberstudienrätin Sonja
Szene zum Thema Unreife

Gestört hatte es mich schon von Anfang an, aber ich wollte diese friedlichen Momente, die wir 'danach' zusammen hatten, einfach nicht zerstören. Eines Tages aber, da reichte es mir. Sie war, als sie 'satt war', wie immer auf ihre Seite des Bettes geflüchtet, verhinderte so wieder mal jegliche Möglichkeit für mich, ein wenig Nähe und Wärme zu genießen. Also schlüpfte ich kurzerhand zu ihr rüber, schmiegte mich an sie, zog ihren Kopf in meinen Arm und streichelte behutsam über ihren Kopf. Ruckartig löste sie sich aus meiner Umarmung, sprang aus dem Bett und fauchte mich an: "Ich brauche kein Nachspiel, wenn ich gut gefickt wurde!".

Nun ja, woher sollte ich es besser wissen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich am Anfang meiner "Karriere", knappe zwanzig, und sie immerhin schon 46 Jahre alt. Außerdem war es die erste Stammkundin die ich hatte. Ich musste halt erst noch lernen, dass es auch, wenn nicht sogar besonders, bei einer Stammkundin lediglich um den kalten Sex geht, und nichts, aber auch rein gar nichts mit Gefühlen jenseits vom körperlichen zu tun hat.

Als ich ging sagte ich, immer noch über meine Enttäuschung wegen ihrer kalten Art nach dem Sex wütend, zum Abschied, dass ich ja ihren Rabatt streichen könne. Nein, nicht des Geldes wegen sagte ich es, sondern in der irrigen Hoffnung sie damit verletzten zu können. Sie aber, ganz Pädagogin, entgegnete mir mit einem warmen Lächeln, und ihrem unnachahmlichen Gurren in der Stimme, lediglich: "Das sind mir die durchgefickten Nächte mit Dir allemal wert, Kleiner. Du verkaufst Dich eh unter Wert".

Ein viertel Jahr später zog sie nach Berlin um, leider...




Die rote Rita
Innerer Monolog zum Thema Liebeserklärung

Rotschopf, oh Rotschopf...
zweite Natur hättest du mir werden können, trotz meiner anerzogener Abscheu vor deinesgleichen, die ich anfänglich verspürte. Waren es die steilen Falten an deiner Nasenwurzel, die sich bei Wut und sinnlicher Hingabe gleichermaßen zeigten, lediglich durch die Tiefe der Einkerbung den Zustand unterschied, oder die zart schimmernden Sommersprossen auf den Schultern und Wangen? Verliebt war ich allemal in deinen sinnlichen Gesichtsausdruck, der dich bei dem Genuss von Musik und meiner Liebe schmückte, und deine moosgrünen Augen. Letztlich wohl doch die zarten Fältchen die deinen Mund umzogen, versteckt ein verklärtes Lächeln andeuteten… mich allzuoft dazu einluden meinen Blick nicht mehr von dir abzuwenden.

Rotschopf, oh Rotschopf…
verlassen hast du mich, ehe ich begriff, dass wir zusammen gehörten. Flüchtig und unwahr scheint mir die Zeit mit uns… gleich den Wolken am Himmel, warst du allzeit nur auf Flucht bedacht. Getrieben die du warst, Sehnsucht die du mir lang gewesen…

Rotschopf, oh Rotschopf…
und doch trage ich noch immer dein Bild in mir, spüre deinen Atem auf meiner Haut und lausche deinen Liedern. Alles was mir blieb von dir, ist die Erinnerung an dein zauberhaftes Wesen, zart und weich, einer Elfe gleich - und doch so wild im Gemüt, dass es dir gelang mich zu Boden zu ringen.

Rotschopf, oh Rotschopf…
nie warst du mir Pflicht, nur Lust und Leidenschaft - ein stetiges Verlangen. Hättest du mich doch nur so nehmen können wie ich war, zumindest für die Zeit des Überganges… wäre ich durch dich doch von allein ein anderer geworden.



Babyspeck
Szene zum Thema Kinder / Kindheit

Hamburg - St. Georg, Hansaplatz:

'Babyspeck', knapp 16 Jahr,
bot dort ihre Dienste dar.
In Kennerkreisen wohlbekannt,
als 'Saugemund' und 'schnelle Hand'.

"Aus Liebe", so hat sie gesagt,
hat sie sich dereinst hergewagt.
"Er brauchte Geld für einen Schuss,
so kam ich dann zu dem Entschluss,
mein Körper gegen Geld zu geben,
rettete so - denk ich - sein Leben".

Es kam wie es so kommen muss,
die Sitte machte damit Schluss.
'Babyspeck' nun lang auf Pause,
in der 'Feuerbergstraß' zu Hause.

Des einen Fluch, des anderen Segen,
ihr rettete es das Leben.
'Babyspeck' gibt's jetzt nicht mehr,
am Hansaplatz im Nuttenmeer.


Anmerkung:
St. Georg ein Stadtteil von Hamburg, beim Hauptbahnhof,
Hansaplatz damals(?) ein Treffpunkt für Junkies, Stricher und Nutten.

Feuerbergstraße war ein Inbegriff für ein geschlossenes Heim in Hamburg, in dem die "schwer erziehbaren und verwahrlosten" gerne eingesperrt wurden.

mitunter macht eine "flapsige" Form die Arbeit leichter ...
nicht immer, aber ab und an!





Eine Dame von Welt
Szene zum Thema Beziehung

Margarethe war nicht die erste ältere Frau bei der ich landete, denn immerhin lebte ich zu dieser Zeit davon. Aber: es war die erste Frau in dieser langen Schlange von übermäßig geschminkten Fratzen, die mir trotz allem das Gefühl gab ein Mensch zu sein, und nicht nur das Objekt ihrer Begierde. Deshalb hat sie sich, unter anderem, einen ewigen Platz in meinen Erinnerungen gesichert. Hatte sie mir doch, neben Achtung und Respekt, sogar fast einen Hauch von dem, was die Leute so Liebe nennen, abgerungen.

Was sie für mich empfand stand relativ schnell fest. Obwohl ich das in meinem Leben nicht selbst kennen gelernt hatte, möchte ich es an dieser Stelle als Mutterliebe bezeichnen. Jedenfalls stellte ich sie mir so vor, die Mutterliebe.

Was mir als erstes zur unserer Zeit wieder einfällt ist, dass ich gerne eng an ihre Seite geschmiegt, mit dem Kopf auf ihrer Brust, einfach nur so mit ihr zusammen auf dem Sofa war. Im Hintergrund lief meist ein Klavierkonzert und ihr Atem ging ruhig und flach. Und ihre Hand, die mich gedankenverloren streichelte. Ach, und diese unnachahmliche Geste, mit der sie mir in ihrer ruhigen Art sanft mein langes Haar aus dem Gesicht schob, um mir besser in die Augen sehen zu können. Ich war dann in einem Zustand, den ich 'zu Hause sein' nannte. Wie ich mir jedenfalls ein Zuhause so vorstellte, zu jener Zeit.

Stundenlang lauschte ich geduldig ihren Worten, ohne den Inhalt je wirklich zu beachten. Aber sie sprach ja auch nicht mit mir, sie meinte Ludgar – ihren Sohn, den sie, noch bevor er 17 wurde, an eine Überdosis verlor. Sie hatte mich dazu auserkoren all das, was sie ihrem Ludgar nicht mehr geben konnte, zu geben. Sie quoll förmlich über vor Liebe, Fürsorglichkeit und Aufmerksamkeit, so dass es mir schon fast wieder zur Last wurde –zumal ich nie vergaß, dass es ja nicht wirklich mir galt.

Sie kleidete mich neu ein, und machte mich auf Kunst und Kultur neugierig.

"Du musst wirklich nicht alles wissen, aber wenigstens ein paar 'kluge Sätze' von Dir geben können, egal um welches Thema es geht. Wenn Du dabei überzeugend bist, dann wird keiner weiter nachhaken, da sie meist selbst keine Ahnung haben, nur Allgemeinplätze von sich geben", lächelte sie mich ermunternd an, während sie ein Buch aus dem Regal zog und mir in die Hand drückte.

Bei ihr lernte ich klassische Musik kennen und zu schätzen, die Epochen, Gemälde und Künstler zu verstehen und auseinander zu halten. Viel meiner freien Zeit verbrachte ich bei ihr und damit, ihr Bücherregal zu plündern. In erster Linie fraß ich die Bücher in mich rein, um mich selbst damit aus meiner Ahnungslosigkeit zubefreien, andererseits aber auch um ihr zu gefallen. Es sollte ihr nicht länger peinlich sein müssen, dass ich immer völlig ahnungslos war, wenn es mal nicht einfach nur um den Überlebenskampf ging.

Sie ging dann mit mir in die Musikhalle in Hamburg zu Klavierkonzerten, schleppte mich durch Museen von denen ich gar nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Dafür zeigte ich ihr im Gegenzug meine Welt, ließ sie mitkommen in die dunklen Ecken der Stadt. Sie wollte unbedingt die Szene, die aus ihrer Sicht ihrem Sohn das Leben gekostet hat, kennenlernen.

Jahre später erfuhr ich dann, dass sie, nach unserer Zeit, eine Einrichtung mitgegründet und finanziell unterstützt hatte, die sich um Straßenkinder in Hamburg kümmerte. Ja, sie war schon etwas ganz besonderes, schon die Art wie wir uns kennen lernten hatte es in sich.

"Du siehst so verloren aus, so wie Du hier sitzt... ich musste einfach zu Dir an den Tisch kommen. Es stört Dich doch nicht, wenn ich mich kurz zu Dir setze, oder wartest Du auf jemand bestimmten und ich verderbe Dir damit Deine Tour", fragend, hatte sie sich einfach zu mir an den Tisch gesetzt. Schon das war mehr als ungewöhnlich, denn eigentlich dienten den Frauen die Tischtelefone, die hier an jedem Tisch vorhanden waren, dazu Kontakt zu einem Herren ihrer Wahl aufzunehmen.

Besonders erwähnenswert ist weiterhin, dass ich zu diesem Zeitpunkt auf dem Kiez im 'Café Keese' am 'Stecher-Tisch' saß. Dieser Tisch war stets nur für die 'Herren', die den zahlungskräftigen Damen in diesem Lokal 'ihre Begleitung' feilboten, reserviert.

Zu denen gehörte ich auch zu dieser Zeit, wobei ich allerdings der Exot unter all den 'Herren' war. Ich war 'das Kind' unter den 'willfahrigen Herren', und wäre wohl ohne die Empfehlung von 'Pierre dem Kellner' überhaupt nicht in dieses Lokal rein gekommen. Normalerweise durften hier lediglich 'Herren mit Schlips und Kragen' ihre Dienste – mehr oder weniger unauffällig - anbieten.






Elena [Kurzfassung]
Szene zum Thema Zufall

Sie war das, was der Himmel mir bei der Geburt versprochen hatte, und was die Hölle dann stellvertretend bei mir einlöste.
***
Elena… 
noch immer schwingt die ganze Wehmut meiner Welt in diesem einem Wort.

Als ich sie das erste Mal traf, da hockte sie vor mir auf dem Marktplatz und war damit beschäftigt ein Mosaik in den gepflasterten Platz einzubauen. Gedacht hatte ich an nichts, war lediglich daran interessiert einen Blick auf den Plan vor ihren Füßen zu erhaschen, zu wissen, wie der fertige Platz mal aussehen würde.

Unvermittelt hielt sie mitten in der Bewegung inne, richtete sich auf, drehte sich zu mir um, und erstarrte dann zur Salzsäule. Mein Gott, wie klein und zart sie war. Die Haare von einer Farbe wie Mooreiche, in denen sich Licht und Schatten verfingen. Der Körper knabenhaft, fast ausgemergelt, das Gesicht ungeschminkt. Sie wirkte im Ganzen zwar recht jung, hatte aber dennoch sehr harte Gesichtszüge. Noch während ich sie betrachtete wurde sie leichenblass, wankte, und drohte hinzustürzen. Reaktionsschnell konnte ich sie gerade noch unter den Armen packen und an mich ziehen, um sie vor dem Sturz auf das Pflaster zu bewahren.

Eine angenehme Wolke von feinem Schweiß und Kernseife hüllte mich ein. Unwillkürlich schloss ich die Augen und atmete tief ihrem Duft ein. Eine Ewigkeit musste vergangen sein, als ich sie sagen hörte: "Ich habe so sehr auf dich gewartet… wo warst du nur die ganze Zeit, ich hätte dich so dringend gebraucht". Völlig verwirrt, da ich mir doch sicher war sie noch nie zuvor gesehen zu haben, war ich schon gewillt zu glauben, dass ich mir nur eingebildet hatte das zu hören.

Wunschdenken?

Doch während ich noch zweifelte, kam Leben in das Bündel Mensch in meinen Armen, und anstatt sich von mir loszumachen klammerte sie sich, einer Ertrinkenden gleich, an mich. Ich schaute runter, direkt in ihr Gesicht. Augen, die anfingen sich mit Tränen zu füllen, und gleichzeitig ein völlig verzücktes Lächeln, das in ein befreites Lachen überging...

Feuer und Wasser - Liebe und Leid.
Das war Elena… 

Jederzeit ein Ritt auf dem Vulkan.



Petra
Innerer Monolog zum Thema Liebe & Verlust

Auf der Suche nach wichtigen Papieren stieß ich heute auf den Umschlag mit unseren Hochzeitbilder. Mit zittrigen Fingern habe ich sie aus den Umschlag gezogen, innerlich auf Schmerz und Flucht eingerichtet. Aber siehe da: endlich fehlen die Tränen.
Nein, nicht das ich ausgetrocknet wäre, nicht deshalb ...
Aber es schmerzt nicht mehr so sehr. Alles ist verblasst und von der Zeit 'geschönt'. Und dann bemerke ich endlich, nach 26 Jahren das erste Mal, wie du mit deinem unnachahmlichen Lächeln triumphierend zu deiner besten Freundin Annette, die für dich den Trauzeugen gemacht hat, rüber schaust. Und den Ausdruck in den Augen, der ganz deutlich sagt: 'siehst du, nun bin ich doch seine Frau geworden'.

Bis zuletzt hattest du gezweifelt, gedacht ich würde es nicht ernst gemeint haben.
Sieben Jahre hatte es gedauert, vom Kennenlernen bis zu diesem Tag, bis ich mir wirklich sicher war, dass mich nie wieder eine Andere von den Socken hauen könnte, ich auch wirklich 'für immer' bei dir bleiben würde. Das war mir wichtig, diese Sicherheit vor mir selbst - besser vor denen in mir. Das hast du ganz alleine fertiggebracht, dass diese Monster endlich Ruhe gaben. Ich war mir endlich sicher das wir, bis der unausweichliche Tod uns irgendwann trennt, zusammen bleiben werden. Bei dir gab es ja von Anfang an darüber keine Zweifel.

Nun, das ist ja auch so gewesen - denn nur ganze 11 Monate dauerte es, 'bis das der Tod uns scheidet'. Alles was von dir über ist, nach all den Jahren, sind ein paar Bilder, verklärte Erinnerungen, der alljährliche Besuch an deinem Grab zum Hochzeitstag und der Tisch im Wohnzimmer.

Und dieser dumpfe Schmerz, wenn Kleinigkeiten im Alltag mich daran erinnern, wie du reagiert hättest … wie sehr ich, trotz vieler Liebschaften, immer verlassen und einsam war - so ganz ohne dich.

Deine Mutter, die links außen auf dem Bild zu sehen ist, die hat den Kontakt mit mir sofort abgebrochen. Nein, nicht weil sie mich nie leiden konnte. Auch nicht, weil ich ihr die Tochter wegnahm, gegen ihren Willen. Sie hat mir nie verziehen, dass ich nicht die Kraft hatte an deiner Beisetzung teilzunehmen. Das ich so völlig zusammengebrochen war, da du mein Leben ausgemacht hattest. Das ich ein solcher Schwächling war, das war ihr Problem. Das letzte, was ich von ihr hörte war: "Was sollen denn die Leute denken".


Anmerkung:
Verdammt, jetzt fange ich doch noch zu heulen an - scheiß Selbstmitleid.




Sabine - ein Tag am Meer
Erzählung zum Thema Anpassung

“Der Wind, die Wellen, das Knirschen und Klickern der kleinen Steinchen, wenn die Wellen am Strand sie in Bewegung versetzten ...”, sagst du verträumt. Ich stimme dir zu, obwohl ich in Wirklichkeit an die unendliche Weite und Ferne denke, und daran, was für ungeahnte Möglichkeiten sich da für mich auftun könnten.

Allzu gerne würde ich dir jetzt davon vorschwärmen, aber du würdest mich nicht verstehen, sondern mich wegen deiner Verlustängste anfeinden und mir den Wunsch nach Trennung unterstellen.

Und so stehen wir stumm nebeneinander, hier an dem selben Meer, und hängen jeder für sich seinen Gedanken und Träumen nach. Es ist diese Art des Schweigens, das Liebende zu trennen vermag, das jetzt auch unsere Zweisamkeit bedroht; und so bücke ich mich rasch nach einem besonderen Stein, der mir aufgefallen war, als ich dir vortäuschte nur Augen für dich zu haben.

Als wir den Stein gemeinsam betrachten, haben wir endlich wieder etwas gemeinsames und unsere Zweisamkeit ist vorerst wieder gerettet.



Nach dem Davonfliegen
der Schmetterlinge aus dem Bauch
Satire zum Thema Aufwachen

Meine 'Neue' ist sehr anspruchsvoll, so dass ich gezwungen bin mir einen Job zu besorgen."Ohne Moos nichts Los", ist ihre Devise - wobei sie aber am althergebrachten Frauenbild festhält: "Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau gibt es aus". So ihr Plan, als sie aus Polen zu mir zog.

Ob es Zufall ist, dass ich jetzt, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, um 5.45 Uhr aufstehen muss? Jedenfalls fange ich jetzt, nach dem Davonfliegen der Schmetterlinge aus dem Bauch, jeden Morgen ab 5.45 Uhr an Lärm und Terror zu machen, auf dass sie ihren Gesundheitsschlaf - den sie so dringend braucht, da sie die Nächte mit 'Freunden' durchmacht - nicht mehr bekommt.

"Du hast ja nie Zeit für mich, immer nur der blöde Job und Geldverdienen. Immer bist du nur müde und willst früh ins Bett gehen, dabei werde ich dann erst richtig wach", ihre Begründung für ihr Ausgehen ohne mich.

Wie auch immer …5.45 Uhr ist eine gute Zeit, jedenfalls für ein Paar, dass aus einem deutschen und einem polnischen Teil besteht. Außerdem kann ich nur dann den Streit gewinnen, um 5.45 Uhr - da ich dann hellwach bin, und sie schlaftrunken und damit wehrlos.

Ach ja, wie die Polen damals schon … 5.45 Uhr am 1. September 1939 - dass hört wohl nie auf, das mit den Deutschen und den Polen?

Anmerkung:
Ja doch, dass hätte mit vielen Frauen aus vielen Ländern passen können, ist doch auch nur der Uhrzeit geschuldet!





Elena [Langfassung]
Erzählung zum Thema Zufall


PROLOG

Sie war das, was der Himmel mir bei der Geburt versprochen hatte, und was die Hölle dann stellvertretend bei mir einlöste.

Elena …
Noch immer schwingt die ganze Wehmut meiner Welt in diesem einem Wort mit.
Feuer und Wasser - Liebe und Leid.

Das war Elena …
Jederzeit ein Ritt auf dem Vulkan.



UNVERHOFFT

Als ich sie das erste Mal traf, da stand sie in Hamburg vor der Jet-Tankstelle am Heiligengeistfeld, und war damit beschäftigt ein Plakat auf dem Pfeiler zum Grundstück zu kleben. Gedacht hatte ich an nichts, war lediglich daran interessiert einen Blick auf das Plakat zu erhaschen, zu wissen, was demnächst wieder in Hamburg so abgehen würde. Unvermittelt hielt sie mitten in der Bewegung inne, richtete sich auf, drehte sich zu mir um, und erstarrte dann zur Salzsäule.

Mein Gott, wie klein und zart sie war. 
Die Haare von einer Farbe wie Mooreiche, in denen sich Licht und Schatten verfingen. Der Körper knabenhaft, fast ausgemergelt, das Gesicht ungeschminkt. Sie wirkte im Ganzen zwar recht jung, hatte aber dennoch sehr harte Gesichtszüge. Noch während ich sie betrachtete wurde sie leichenblass, wankte, und drohte hinzustürzen. Reaktionsschnell konnte ich sie gerade noch unter den Armen packen und an mich ziehen, um sie vor dem Sturz auf das Pflaster zu bewahren. Eine angenehme Wolke von feinem Schweiß und Kernseife hüllte mich ein. Unwillkürlich schloss ich die Augen und atmete tief ihrem Duft ein. Eine Ewigkeit musste vergangen sein, als ich sie sagen hörte: 

"Ich habe so sehr auf dich gewartet… wo warst du nur die ganze Zeit, ich hätte dich so dringend gebraucht". Völlig verwirrt, da ich mir doch sicher war sie noch nie zuvor gesehen zu haben, war ich schon gewillt zu glauben, dass ich mir nur eingebildet hatte das zu hören. Wunschdenken?

Doch während ich noch zweifelte, kam Leben in das Bündel Mensch in meinen Armen, und anstatt sich von mir loszumachen klammerte sie sich, einer Ertrinkenden gleich, an mich. Ich schaute runter, direkt in ihr Gesicht. Augen, die anfingen sich mit Tränen zu füllen, und gleichzeitig ein völlig verzücktes Lächeln, das in ein befreites Lachen überging ...


FLUCHT

„Buschy, ich warne dich, bleib stehen!“, brüllte eine Männerstimme unüberhörbar in einiger Entfernung hinter ihr. Erschrocken ruckte ihr Kopf in Richtung des Rufers herum, und ihre Hände krallten sich dabei fest in meinem Arm.

„Komm mit ...“, rief sie panisch aus, und riss wie eine Verrückte an meinem Arm herum. Verzweifelt sah sie mich an, da ich keinerlei Anstalten machte mich auch nur einen Millimeter vom Platz zu rühren. Unverhofft schlang sie ihre Arme um meinen Hals, drückte mir einen flüchtigen Kuss auf, und rannte in Richtung U-Bahn davon. Fassungslos, völlig überrascht von ihrem Kuss und ihrer plötzlichen Flucht, stand ich immer noch wie angewurzelt da und schaute ihr nur nach.

Während ich mich umdrehte, um zu begreifen wer oder was sie so in Panik versetzt hatte, rempelte mich schon ein heranstürmender Kerl derbe in die Seite.

“Warum hast Du sie nicht festgehalten, Idiot”, fauchte er mich dabei wütend an, und rannte weiter hinter ihr her.

'Warum zum Teufel muss mir das ausgerechnet jetzt passieren', fragte ich mich, nachdem sich die Überraschung und meine Verwirrung einigermaßen gelegt hatte. Es war dieser Moment, als ich sie in den Armen hielt und unsere Blicke sich trafen, sie meine unausgesprochene Frage: 'Bist du es wirklich’, mit einem leisem 'Ja' beantwortete. 

Verdammt!
Eben noch hielt ich die Frau meines Lebens in meinen Armen, und prompt hatte ich sie schon wieder verloren. Meine erste Reaktion darauf war wieder mal typisch für mich.

Rund 780 Quadratkilometer und 1,7 Millionen Einwohner … wie hoch ist da wohl die Wahrscheinlichkeit ihr wieder über den Weg zu laufen?

Sofort ratterten diese Zahlen durch mein Hirn. Hoffnungslos - bleibt nur es zu vergessen, lautete das Ergebnis. Halt … was hatte der Kerl noch geschrien? ‘Burschie’, jedenfalls klang es so. War das ein Spitzname, der auf ihr Äußeres anspielte? Ihr Nachname? Mist, das bringt mich also auch nicht wirklich weiter. Also doch abhaken und vergessen … ist wohl auch besser so, denn mit den Frauen und mir, das ist eh so eine Sache. Die sind mir einfach viel zu kompliziert.

Da fiel mir endlich der Leinenbeutel auf, der neben der Säule mit dem frisch geklebtem Plakat lang. Der musste mit Sicherheit ihr gehören, denn es ragten noch einige zusammengerollte Plakate daraus hervor. Schnell hob ich den Beutel auf, in der Hoffnung darin einen Hinweis darauf zu finden, wer sie war und wo ich sie wiederfinden könnte.

Ganz unten in dem Beutel fand ich endlich einen zerknüllten Zettel, der offensichtlich von Frauenhand beschrieben war.

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!!!! Peter absagen !!!! 
Dienstag 15Uhr Rote Flora Treffen AG. 
Mittwoch + Donnerstag, 20Uhr kellnern im Bedford 
Sonnabend, Rote Flora, Treffen zur Demo 
wichtig: Sonntag, 17Uhr Onkel Micha besuchen - nicht Atelier !!! 

Margarine, Eier, Müsli

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'Ob dieser Idiot, der hinter ihr her gerannt war, wohl Peter sein könnte’, fragte ich mich instinktiv, obwohl der Kerl, der mich angerempelt hatte und hinter ihr her war, mehr nach einem Karl-Heinz oder gar Wilhelm aussah. In Gedanken versunken ging ich weiter zur Marktstrasse. Dort wartete Julia schon sehnsüchtig auf mich, denn ihr Rechner war mal wieder total mit Viren verseucht, und ihr kleiner Laden konnte jetzt keine Rechnungen und Bestellungen mehr ausdrucken.

Bei dem Gedanken an Julia bekam ich sofort wieder schlechte Laune.
Seit einiger Zeit lief es nicht mehr so besonders zwischen uns, und ich war innerlich schon auf die Trennung eingestellt. Bequemlichkeit, das war scheinbar alles, was uns noch zusammen hielt. 

EIN JEDES ENDE ...
( beinhaltet auch einen neuen Anfang, so sagt man. )


Im Laden angekommen, fiel mir Julias Freundin Britta, die ab und zu im Laden aushalf, freudig um den Hals.

“Endlich, ich hatte schon Angst du kommst nicht mehr. Dieser blöde Rechner im Büro geht schon wieder nicht.”

“Ist Julia garnicht da”, fragte ich verwundert, denn soviel gab ein Laden in diesem Viertel nicht her, dass man sich stundenlang eine Aushilfe leisten konnte.

“Die ist mit Robert unterwegs um Besorgungen zu machen”, lächelte sie mich vielsagend an.

“Dann werde ich mir mal den Rechner ansehen”, erwiderte ich leicht verärgert, und verschwand hinten im Büro.

“Ich kann ja den Laden abschließen und mitkommen”, rief Britta, mit diesem Unterton in der Stimme, der mehr als deutlich klar machte worauf sie aus war, nach. Der Rechner war relativ schnell wieder auf Vordermann gebracht, und ich machte mich auf, um in unsere Wohnung nach Altona-Nord zu fahren.

“Kannst du Julia, wenn sie wiederkommt, ausrichten, dass ich schon zu Hause bin und Essen mache”, fragte ich Britta zum Abschied, die lediglich als Antwort nickte und mir sichtlich enttäuscht an der Ladentür nachschaute. Als ich mich dem Bahnhof näherte, erwischte ich mich dabei, wie ich die Straße nach ‘ihr’ absuchte.

‘Wäre ich doch bloß mit ihr mitgerannt’, machte ich mir selbst dabei Vorwürfe.

“Ach komm schon, sei vernünftig … ist eben nicht deine Art, und diese Frau wirst du eh nie wiedersehen", schimpfte ich unwillkürlich laut vor mich hin.

Mit diesem Gedanken im Kopf versuchte ich mich wieder zur Vernunft zu rufen, ohne trotzdem aber dabei jeder Frau, deren Silhouette halbwegs der dieser Unbekannten entsprach, nachzuschauen, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Nachdem ich zu Hause gerade den Treppenabsatz zur Wohnung erreicht hatte, ging die Tür auf, und Robert kam rückwärts aus der Wohnung raus. Julia hing ihm am Hals und wollte ihn offensichtlich nicht gehen lassen.

Ihr Zustand sprach Bände.
Mal abgesehen davon, dass sie völlig nackt war, waren die Haare - die ich ihr nie durcheinander bringen durfte - total zerzaust und ihr Kopf immer noch hochrot. Lautlos drehte ich mich um und schlich die Treppe wieder runter. Damit hatte ich nicht gerechnet, war nach all den Jahren nie auf die Idee gekommen, dass es mal so mit uns enden würde.

Aber komischer Weise war ich ziemlich schnell nur noch erleichtert, dass sie mir auf ihre Art die Entscheidung abgenommen hatte, die Verhältnisse jetzt endlich klar waren. Für mich jedenfalls, denn ich ging davon aus, dass die Beiden mich nicht bemerkt hatten, so vertieft wie sie ineinander waren.

Immerhin hatte ich jetzt etwas gegen Robert in der Hand, was mir mal durchaus nützlich sein könnte.
Jetzt aber rannte ich erst einmal nur drauf los, einfach um nachzudenken und mir über die nächsten Schritte klar zu werden. Im Volkspark angekommen, setzte ich mich auf eine Bank und schaute den Hunden beim Toben zu. Plötzlich war es dunkel und ich saß da immer noch herum. Und die ganze Zeit über grübelte ich nur, wie ich meine schöne Unbekannte wiederfinden könnte, statt mich mit Julia und meiner bevorstehenden Trennung von ihr zu befassen.

Nun ja, viel gab es da eh nicht zu klären. Die Wohnung lief auf meinem Namen, also kein Problem. Sie hatte sich seinerzeit, wie selbstverständlich, einfach dort einquartiert und ist nicht mehr gegangen. Ich machte mich dann endlich widerwillig auf dem Weg nach Hause, und je näher ich dem Viertel kam, um so weniger wollte ich heim. So stand ich plötzlich auf dem Bahnhof Altona. Keine Ahnung wieso. Nun ja, hier habe ich schon immer gerne auf einer Bank gesessen und den Reisenden nachgeschaut, wenn ich Probleme hatte.

Abschiede auf einem Bahnhof haben ihren eigenen Reiz, für mich jedenfalls. Und nach Abschied war mir ja zumute. Während ich so lustlos über den Bahnsteig, an dem die ICE’s abfahren, schlenderte, fühlte ich urplötzlich eine Gänsehaut die meinen ganzen Körper überzog.

Dann erst sah ich 'sie'.
Sie ging auf den Bahnsteig der S-Bahn und schaute dort auf den Fahrplan. Wie von einer Tarantel gestochen rannte ich, diesmal ohne lange nachzudenken und ohne Rücksicht auf die Leute zu nehmen, den Bahnsteig entlang, um zu ihr zu kommen. Kurz bevor ich endlich das Gleis, auf der die S1 und S11 abfährt und 'sie' stand, erreichte, rollte diese verfluchte Bahn schon ein und stoppte.

Wohl wissend, dass die Bahn nicht lange stehen bleibt, stolperte und hetzte ich wie von Sinnen auf die Bahn zu, während meine Unbekannte schon dabei war in ein Abteil in der Mitte des Zuges einzusteigen. Doch mitten in der Bewegung hielt sie plötzlich inne ... schaute mir direkt ins Gesicht.

Ein Lächeln überzog ihr Gesicht und sie rief “Komm zum Bahnho...”.

“Vorsicht am Bahnsteig, bitte zurücktreten, der Zug fährt jetzt ab”, dröhnte die Lautsprecherdurchsage dazwischen und verschluckte den Rest ihres Satzes. Die Tür, in der sie stand, knallte vor ihr zu, und die Bahn setzte sich langsam in Bewegung. Nach einem verzweifelten Endspurt konnte ich gerade noch ihr leichenblasses Gesicht hinter der Glasscheibe sehen.


WER SUCHT ...

Hilflos mit den Schultern zuckend, mir dabei die Haare bedeutungsvoll raufend, hatte ich versucht ihr klar zumachen, dass ich nicht verstanden hatte, welchen Bahnhof sie meinte.

Mir war sofort klar, dass mein Problem, sie zu finden, größer war, als man sich es auf den ersten Blick vorstellen konnte. Ein Blick auf die Streckenführung der S1 zeigte, dass die S-Bahn bis nach Wedel durchfahren würde. Das machte dann, inklusive

Wedel, neun Bahnhöfe aus, an denen sie stehen und warten könnte.

Gewohnt rationell zu denken, beschloss ich für mich, dass es überhaupt keinen Sinn machte den Versuch zu unternehmen ‘Burschie’, wie ich sie inzwischen für mich nannte, heute Nacht noch zu finden. Was, wenn sie in Wedel stehen würde, und ich im Schneckentempo von Bahnhof zu Bahnhof fahre, um sie zu finden? Wie lange würde sie wohl stehen und auf mich warten, zumal wir uns doch garnicht kannten. Mal davon abgesehen, dass die letzte Bahn in Richtung Wedel laut Plan um 0.52 Uhr fahren würde, und von dort keine mehr zurück.

Außerdem bestand ja auch die Möglichkeit mir das alles nur einzubilden und schön zu reden - sie aber in Wirklichkeit überhaupt nichts von mir will. ‘Na gut, einen Versuch mache ich ...’, überredete ich mich. Mit dem Gedanken sie einfach so aufzugeben konnte ich mich beim besten Willen nicht abfinden.

'Wenn sie es wirklich ernst meinte', überlegte ich, 'dann würde sie an dem nächsten Bahnhof aussteigen, um dann dort auf mich zu warten' Zumindest hätte ich so gehandelt. So stieg ich dann, einigermaßen hoffnungsvoll, in die nächste Bahn in Richtung Wedel ein, und an der Station Bahrenfeld gleich wieder aus.

Aber es war nichts von Burschie zu sehen. 
Ich war sogar aus dem Bahnhof raus, auf die Straße und dann, aus lauter Verzweiflung, auch noch in die Pizzeria 'il Treno' schräg gegenüber gegangen. Aber keine Spur von Burschie. Während ich die Bahn nach Hause bestieg und mich nach einem freien Platz umsah, entdeckte ich Britta mit Freundin, die mir auffordernd zuwinkte.

“Jaro, komm doch her und setzt dich zu uns beiden hübschen ...”, rief Britta lautstark durchs Abteil.
Bevor sie noch mehr Aufmerksamkeit auf uns lenken konnte, nahm ich schnell den Beiden gegenüber Platz. Offensichtlich waren sie ziemlich angetrunken, denn sie kamen aus dem Kichern garnicht mehr raus. 

“Darf ich vorstellen, meine Busenfreundin Monika …”, rief Britta aus, während sie dabei bekräftigend an deren Brust griff. Ich nickte leicht irritiert grüßend zu Monika rüber, und schaute dann aus dem Fenster, um ihnen klar zumachen, dass für mich damit die Unterhaltung beendet war. Aber dann fuhr Britta, wie ich fand mit einem traurigen Ton in der Stimme, fort: 

“Monika, dass ist also Jaro, meine heimliche große Liebe, von der ich dir schon soviel vorgeschwärmt habe”.

Es folgte dem Satz kein Lachen, was mich dazu veranlasste sie verwundert anzuschauen. 

“Haha, reingefallen …”, rief Monika lautstark dazwischen, löste damit die peinliche Stille, die sich zwischen uns entwickelt hatte, auf. Britta setzte gleich wieder mit ein: 

“Ach wie süß und hilflos ihr Kerle doch seid, wenn man euch auf die Schippe nimmt ...” Dann fielen beide wieder in ihr Gekicher ein, und ich atmete befreit auf.

“Du musst mir einen Gefallen tun”, faselte Britta drauf los, als wir vor dem Bahnhof Altona standen.
“Ich bin mit dem Auto hier, aber ich darf ja nicht mehr fahren - dabei brauche ich den Wagen doch, um zur Arbeit zu kommen. Kannst du uns nicht mit dem Auto bringen … Monika wohnt auf dem Weg, die setzten wir schnell ab. Du brauchst doch dann von meiner Bude aus nur quer über die Straße zu gehen”. 

“Ja, mach ich”, sagte ich ohne zögern, denn mir war nun wirklich noch nicht danach zumute, in die Wohnung, in der Julia auf mich warten würde, zu gehen.

“Aber nur unter einer Bedingung!”, warf ich ein. “Nur, wenn ihr beiden noch auf ein Bier oder so mit in die Kneipe kommt”.


ALLES WIRD ...

“Hast du nicht Lust noch mit reinkommen ... ich will noch nicht alleine sein”, bettelte mich Britta an, als ich den Motor abstellte und aussteigen wollte. Ich nickte, denn mir war überhaupt nicht danach zumute jetzt Julia gegenüber zu treten. 

“Kannst du bitte etwas leiser sein? Muss ja nicht unbedingt das ganze Haus wach werden”, forderte ich Britta auf, als sie in ihrem Rausch polternd die Holztreppe hinaufstieg. Robert, ihr Bruder und - wie ich ja nun wusste - Liebhaber von Julia, bewohnte mit seiner Familie die Wohnung im Elternhaus, die direkt unter ihrer Wohnung lag. Robert war nun wirklich der letzte, dem ich heute noch über den Weg laufen wollte.

“Ach der, der Spießer … Soll er doch die Bullen rufen”. Dann lachte sie lauthals los.

Diese Vorstellung, wie ausgerechnet Polizeirat Robert Mass, Hüter von Recht, Ordnung und Sittlichkeit, seine eigenen Untergebenen an der Tür um Hilfe anflehte, ließ mich unwillkürlich in ihr Gelächter mit einfallen.

Irgendwie wollte sich nicht die Stimmung einstellen, um übereinander herfallen zu wollen. Ich war in Gedanken bei meiner Unbekannten, und sie war scheinbar schon zu angetrunken und müde, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen.

“Ich muss jetzt aber wirklich weiter”, sagte ich, nachdem wir fast eine Stunde über Gott und die Welt geredet hatten. Da ich selber ja nicht abgeneigt war, hin und wieder mir sogar schon mal ausgemalt hatte, wie es wohl mit ihr im Bett sein würde, fügte ich dann noch schnell: “Wir können uns ja morgen Abend im ‘Bedford’, gegenüber von der ‘Flora’ treffen, wenn du Lust hast”, hinzu. Als ich merkte, dass sie zögerte, sagte ich: 
“Ich habe so ein paar Sachen im Kopf, die du mir, als erfahrene Frau, eventuell erklären kannst”, in der Hoffnung sie damit weichzukochen.

Nach einem gespielten Zögern, dann mit trauriger Stimme: “Mit Julia kann ich ja nicht darüber reden …”, um sie neugierig zu machen.

Dann stand ich auf und ging. An der Haustür stimmte dem Treffen dann doch noch zu, und zum Abschied küssten wir uns noch kurz.

zum Glück schlief Julia anscheinend schon tief und fest, denn die Fenster unserer Wohnung waren schon dunkel, so dass ich mich leise in die Wohnung schlich. Ich nutze die Gelegenheit und legte mich zum Schlafen auf das Sofa. So konnte ich wenigstens das Unvermeidliche noch rauszögern. Zufrieden mit mir, und auch damit in Britta schon einen Ersatz für Julia zu haben, falls ich meine Unbekannte nie finden sollte, streckte ich mich lang aus und steckte mir meine ‘Gute Nacht Zigarette’ an. 

Bevor ich die Kippe ausdrückte, war ich nach kurzem Nachdenken zu dem Entschluss gekommen, am nächsten Tag nur die nötigsten Sachen von Julia in eine Tasche zu stopfen, und diese bei ihr im Laden auf den Tisch zu knallen. Ihr dann auch, so ganz nebenbei, die Trennung mitzuteilen. Mehr war sie mir nicht mehr wert, nach diesem Verrat an uns.

Zufrieden mit dieser Lösung, Julia so abzuschießen, schlief ich dann endlich ein.

“Da hast du alles, was man so für ein paar Tage braucht. Wo du ab bleibst, dass ist mir scheiß egal… das Schloss zur Wohnung ist ausgetauscht, brauchst du also nicht zu versuchen … Ach ja, die restlichen Klamotten, die ich ja alle bezahlt habe, sind bei der AWO - Kleiderkammer gelandet. Dort gibt es bestimmt einige Frauen, die sie dringernder gebrauchen können. So, und nun wünsche ich dir ein schönes Leben, denn warum ich das mache, dass weißt du ja ganz genau, du Schlampe!”. Beim Rausgehen aus dem Laden war mein Zorn auf sie schon wieder verraucht, und ich fühlte mich endlich wieder wohl und frei.




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Tag der Veröffentlichung: 15.03.2014
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