Das Mädchen

Inhalt
  1. FlashBack. 
  2. Schönes Kind. 
  3. Ausgeliefert. 
  4. Heimkehr. 
  5. Impressum

FlashBack
Bericht zum Thema Reflexion

Prolog:

Es war in diesem schwül-heißen Sommer.
Erste Sonnenstrahlen erhellten schon den Himmel, und sie sollte eigentlich schon Stunden im Bett liegen und etwas Schönes träumen. So wie von den Küssen ihres neuen Freundes, den sie seit ein paar Tagen an der Schule hatte, und in den sie schon so lange unsterblich verliebt war.

Doch sie war noch unterwegs, kam schwankend langsam die Straße entlang. Sie zitterte am ganzen Leib. Tränen liefen ihr über das Gesicht, das von verlaufener Schminke, Blut und Schwellungen entstellt war. Sie vermischten sich, auf dem Weg am Mund vorbei, mit ihrem Blut. Doch das alles merkte das Mädchen nicht. Fast blind vor Tränen stolperte sie auf dem unebenen Gehweg und musste sich mit der Hand an der Wand abfangen, um nicht hinzufallen. Ein Nagel in der Wand riss ihr die zarte Haut der Handfläche auf, und die Wunde fing leicht zu bluten an.

Verständnislos hielt sie die blutende Hand vor ihre Augen, starrte wie gebannt darauf, so als würde sie nicht zu ihr gehören. Sie schaute dabei zu, wie das Blut zäh und träge über das Handgelenk runter auf ihren Unterarm lief. Ihre Beine zitterten.

'Wie zähe klebrige rote Farbe', das war alles was sie dabei denken konnte. Endlich bemerkte sie den Schmerz der Wunde, und auch diesen merkwürdigen Geschmack im Mund. Sie spuckte angewidert aus, wobei sie ihr Gesicht vor Schmerzen verzog. Sie starrte fassungslos auf ihre Spucke.

'Rot... Spucke sollte doch nicht rot sein...', dachte sie voll Entsetzen. Es war, als wenn sie aus einem Traum aufwachen würde. Ihr Gehirn fing zögerlich an wieder halbwegs normal zu arbeiten. Langsam wurde sie sich auch wieder ihres restlichen schmerzenden Körpers bewusst.

'Blut', stellte sie mit aufkeimender Panik fest, 'es ist Blut, mein Blut'. Und dann kam es, brach mit brutaler Gewalt über sie hinein. Erste Bilder der vergangenen Nacht tauchten wieder vor ihren Augen auf. Verzweifelt kniff sie ihre Augen zu, schüttelte wie wild ihren Kopf. Doch diese Bilder gingen nicht wieder aus ihrem Kopf raus, es half nichts.

Aber das konnte doch nicht wirklich passiert sein... jedenfalls nicht ihr. Sie war doch immer an allen Katastrophen knapp vorbeigesegelt, noch nie war ihr etwas Schlimmes widerfahren.

Ihre Beine versagten endgültig ihren Dienst, und sie sackte hilflos zu Boden. Irritiert schaute sie wieder auf die blutende Hand, blickte dann langsam an sich entlang. Ihr Blick blieb entsetzt an ihrem nackten Busen hängen. Ohne es bemerkt zu haben, hatte ihr Blouson, als sie diesen losließ um sich an der Wand vor dem Sturz abzufangen, ihren entblößten Oberkörper wieder freigegeben. Die Bluse, die sie unter ihrem Blouson an hatte, hing verdreckt und zerfetzt seitlich von ihren Brüsten, statt sie zu verdecken.

Während sie noch verständnislos auf ihre Brust starrte, die mit Blut bedeckt und zerkratzt war, fingen diese grausame Bilder an sich zu einem Film zusammenzusetzen und der Ton, der zu diesen Bildern gehörte, kam auch noch dazu. Und so geschah alles noch einmal für sie, war sie wieder mitten drin im Geschehen der Nacht.



Schönes Kind
Bericht zum Thema Ziele

Sie stand vor dieser dunklen Gasse.
Eine geniale Abkürzung, um vom Lokal nach Hause zu kommen, bot sich ihr so an. Sie wusste, dass sie dort nicht lang gehen sollte, dass es viel zu gefährlich war, aber Zuhause wartete ihre Mutter. Die würde mächtig sauer sein, wenn sie zu spät käme. Einen Moment zögerte sie noch, doch dann dachte sie an die Ausgangssperre, die ihr unweigerlich das Zuspätkommen einbringen würde. Also bog sie in diese Gasse ein, entfernte sich immer weiter von der Hauptstraße, auf der auch bei Nacht noch Leben herrschte.

Was sollte ihr schon passieren?
Doch ganz sicher war sie sich nicht. Immer wieder sah sie sich um, zuckte schreckhaft zusammen, wenn sie ein Geräusch hörte. Sie versuchte sich einzureden, dass da nichts ist und ging mutig weiter. Immer tiefer in die unbeleuchtete schäbige Gasse hinein, brachten sie ihre eiligen Schritte. Schon konnte sie in der Ferne die Straße sehen, in der sie wohnte.

Gleich würde sie es geschafft haben.
Ein kalter Windstoß fegte um ihren viel zu kurzen Rock, den sie mit ihrer Freundin zusammen am Vortag extra für diesen Tag gekauft hatte. Nicht nur in dem Geschäft hatte er spitzenmäßig an ihr ausgesehen. Heute Abend, in diesem Lokal, da hatte sie die bewundernde Blicke der Männer gespürt, und das gefiel ihr, sogar ausgesprochen gut.

Doch jetzt, hier draußen und so alleine im Dunklen, da fühlte sie sich in diesem Rock einfach nur noch unbehaglich. So ging sie, immer schneller werdend, weiter in die Stille der Gasse hinein. Nur das Klacken ihrer hochhackigen Schuhe, und der Widerhall von ihnen, war zu hören.

Diese Schuhe sollten sie größer und älter wirken lassen, damit sie mit den anderen zusammen in diese Bar durfte. Es hatte ja auch prima geklappt, denn man hatte sie ohne Probleme in diese Bar rein gelassen, sie hatte sogar Alkohol zu trinken bekommen. Am meisten jedoch hatte sie sich über diese Blicke gefreut, die so manch ein Mann ihr zuwarf.

Ja, da fand sie ihre Schuhe noch toll, sie machten sie doch um einiges größer, und auch so schön lange Beine. Doch jetzt, jetzt ärgerte sie sich über diese Schuhe. Sie waren doch letztlich daran schuld, dass sie nur so langsam vorwärts kam, vielleicht sogar zu spät nach Hause kommen würde. Sie könnte die Schuhe ja auch ausziehen.

Ein leises Rascheln riss sie unvermittelt aus ihren Überlegungen.
Ihr Atem ging schneller, und sie versuchte ihre Schritte noch ein weniger mehr zu beschleunigen, versuchte sogar zu laufen. Doch irgendwie kam sie nicht vorwärts, nicht auf diesen Schuhen, sosehr sie sich auch bemühte. Je schneller sie sein wollte, um so öfter knickten die Füße wegen diesen verfluchten hochhackigen Dingern um.

Gerade wollte sie es aufgeben, die Schuhe ausziehen, da passierte es.

Anmerkung:
Hier ist mit Absicht jedem erdenklichen Klischee Tribut gezollt, auch mit Absicht stark überhöht[?]... Das es genauso stattgefunden hat, das steht auf einem anderem Blatt!


Ausgeliefert
Bericht zum Thema Zerstörung

Urplötzlich sprang ein Schatten sie aus einem dunklen Hinterhof heraus an. Sie knickte bei dem Aufprall mit ihrem Fuß weg, kam ins Taumeln und drohte zu stürzen. Bevor sie jedoch fallen konnte, spürte sie, wie von hinten Arme ihren Hals und Oberkörper umklammerten, sie fest gegen einen Körper pressten. Ihr Sturz wurde so verhindert, machte sie aber auch fast bewegungsunfähig. Bevor sie panisch aufschreien konnte, hielt schon eine schwielige, eklig stinkende Hand ihr den Mund zu, und presste dabei ihren Kopf fest an eine Schulter.

"Na, wen haben wir denn da", kicherte hämisch eine raue Männerstimme an ihrem Ohr, "hast du dich verlaufen, Kleines?".

Ihr Mund war von seiner Hand fest verschlossen.
So fest, dass sie nur durch die Nase Luft holen konnte. So war sie gezwungen die Wolke aus Schweiß und dem widerlichen, nach Alkohol und kalten Rauch stinkenden Atem des Mannes zu riechen und einzuatmen. Ihr wurde Übel dabei, und sie spürte, wie eine nie zuvor gekannte entsetzliche Angst sie fast lähmte. Ihr ganzer Körper begann sich vor Angst zu schütteln, und ihre Beine wurden weich, drohten plötzlich unter ihr wegzusacken.

Wie von Sinnen versuchte sie sich aus dieser Umklammerung zu befreien, verlor den Boden unter den Füßen und strampelte wild geworden mit den Beinen herum. Sie wehrte sich zwar nach Kräften, versuchte auch gezielter zu zutreten, doch er war stärker. Er lockerte seine Umarmung nicht um einen Millimeter. Wenn sie bloß ihre Arme frei bekommen würde. Sie könnte ihm dann mit ihren langen und wohlgeformten Fingernägeln das Gesicht zerkratzen, aber so. Dann spürte sie ein sehr dünnes und kaltes Stück Metal an ihrem Hals, und sie erstarrte schlagartig zur Salzsäule.

'Ein Messer', dachte sie entsetzt.
Sie wusste es instinktiv sofort, dass konnte nur ein Messer sein. Auch wenn sie es nicht sehen konnte, aber sie hatte genug über Überfälle dieser Art mitbekommen, in den Medien und in den Gesprächen auf dem Schulhof, kannte sich damit aus. Der Alptraum, den sie und ihre Freundinnen aus ihrer Klasse sich mal ausgemalt hatten, wurde also wahr. Und dann ausgerechnet an diesem Tag. So sollte sie also sterben... in dieser elenden Gasse, so kurz vor ihrem Ziel. Niemand da, um ihr zu helfen. Nichts, keine Rettung weit und breit in Sicht. Noch nie hatte sie sich so alleine gefühlt, solche Angst verspürt, wie in diesem Moment. So schutzlos, verletzlich und dem Ende so nahe.

"Wenn du schön artig bist, dann passiert dir nichts", schnarrte diese Stimme sie an. Der widerliche Geruch von ihm, und ihre Todesangst, raubten ihr fast die Besinnung.

"Wenn nicht...", dabei wurde das Messer bedeutungsvoll fester gegen ihre Kehle gedrückt. So fest, dass ein kleiner Schnitt in der Haut sich öffnete und einen feinen Faden aus Blut ihren Hals herunterlaufen ließ.

Ein Hitzeschwall überzog ihren gesamten Körper, als sie fühlte, wie ihr eigenes Blut sich an ihrem Hals entlang seinen Weg in ihren Ausschnitt bahnte. Zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig, machte sie sich einfach stocksteif. Versuchte ihm so ihre Bereitschaft, sich nicht mehr zu wehren zu wollen, klar zu machen.

"So ist's fein", vernahm sie an ihrem Ohr, und gleich darauf spürte sie, wie er ihr Ohrläppchen in den Mund nahm und rein biss. Panik, Ekel und diese irrsinnige Angst vor ihm und ihrem Ende, brachte sie dazu sich zu bemühen keine Reaktion auf diese widerliche und perverse Vertraulichkeit zu zeigen.

"Ich wusste doch gleich, dass es dir gefällt. Bist doch ein Mädchen das es darauf angelegt hat, sowie du hier nachts rumläufst, dir extra die dunklen Ecken der Stadt aussuchst", bekam sie spöttisch, auf ihr Stillhalten hin, von ihm zu hören. Dann schob der Mann sie auf die gegenüberliegende Mauer zu und drückte ihren Kopf, mit einer Hand an der Kehle, dagegen.

Dann spürte sie seine andere Hand überdeutlich.
Finger, die sich wie Spinnen über ihren Körper tasten, ihre Kleidung gierig nach einem bequemen Zugang zu ihrer nackten Haut absuchte. Wie sie versuchten, durch den Spalt zwischen zwei Knöpfen der Bluse, sich zur BH-losen Brust durchzuzwängen. Das Vorhaben schnell wieder aufgaben, dafür aber den Körper hinab glitten, um sich ihren Weg unter den Rock zu bahnen.

Die Panik, seine schmierige Hand jeden Augenblick zwischen ihren nackten Beinen zu verspüren, verlieh ihr den Mut seine momentane Abgelenktheit auszunutzen, um ihm ihre Fingernägel ins Gesicht zu jagen. Der Mann stieß einen verhaltenen Schmerzenslaut aus und versetzte ihr einen wuchtigen Faustschlag mitten ins Gesicht.

"Ich hatte dich gewarnt, du kleine Schlampe. Versuch noch mal was, und ich ramme dir das Messer in deinen süßen kleinen Bauch!".

Dann machte er einfach weiter, als wäre nichts geschehen.

Doch das Mädchen bekam nicht mehr viel davon mit.
Ihr Körper schien ihr nicht mehr zu gehören, steif vor Angst, gefühllos. Ihr Bewusstsein fing an zu schwinden. Schaltet sich einfach ab, um sich zu schützen, oder war von dem derben Faustschlag betäubt worden. Jedenfalls wurde alles langsam Schwarz vor ihren Augen.

Sie wusste nicht wie lange er sich an ihr ausgetobt hatte. Sie war viel zu beschäftigt damit zu ergründen, was für ein komischer Geschmack da in ihrem Mund war, so süßlich und doch auch ein wenig salzig...

Irgendwann fühlte sie sich von einem Fußtritt an die Wand geschleudert, und während sie langsam wieder ihre Umgebung bewusster wahrzunehmen anfing, hörte sie ihn fluchend seine Kleidung wieder zurechtrücken.

"Scheiß Schlampe!", fauchte er wütend, versetzte ihr dabei einen letzten abfälligen Fußtritt und torkelte weg.


Heimkehr
Bericht zum Thema Ende

Sie lag noch ewig lange am Boden, konnte keinen klaren Gedanken fassen, sich nicht rühren vor Schmerzen. Immer noch spürte sie diese schmierigen Hände an sich, die gierig an ihr zerrten und kratzten. Es ekelte sie... ihr Körper fing unwillkürlich an zu zucken und sich zu schütteln, so sehr ekelte sie sich vor seinem Schmutz, den er an ihr zurückließ.

Es fing bereits an zu dämmern, als das Mädchen sich, trotz der Schmerzen überall, mühsam erhob.
'Weg hier... einfach nur weg... vergessen was geschehen war...', das war alles was sie noch dachte, und dann taumelte sie weiter durch die Gasse, weiter bis zu deren Ende. Als sie aus der Gasse herauskam, nahmen sie die ersten Sonnenstrahlen, auf der inzwischen menschenleeren Straße, in Empfang.

Mühsam, mehr ohnmächtig als bei Bewusstsein, schleppte sie sich auf dem Bürgersteig auf ihr Zuhause zu. Immer wieder knickte sie ein, brach unter dem Entsetzten und den Schmerzen zusammen, bis sie dann endlich, am Ende ihrer Kraft, vor ihrer Haustür ankam. Sie stütze sich an der Wand bei der Klingel ab, und läutete Sturm.

Fast augenblicklich wurde die Tür aufgerissen.
Das Mädchen konnte die Wut in den Augen ihrer Mutter sehen, sah wie sie den Mund öffnete um sie anzuschreien. Doch der Mund ihrer Mutter blieb stumm. Dafür aber weiteten sich ihre Augen im Schock, und sie wurde leichenblass. Am Ende ihrer Kraft, völlig verstört, fiel das Mädchen vor die Füße ihrer Mutter.

Diese Nacht ihres 16ten Geburtstags,
die wird keiner jemals vergessen.


Abschluss:

Der Täter wurde niemals gefasst.
Zuerst wurde das Mädchen zirka ein Jahr in eine Psychiatrie eingewiesen und behandelt. Es gab dann, in den folgenden Jahren, noch weitere ambulante Behandlungen. Zuerst, um 'das Ritzen' zu bekämpfen, und dann kam kurz darauf der Kampf gegen die 'Magersucht'. Sie versprachen ihr jedoch nicht den erhofften Erfolg, so das sie beide vorzeitig abbrach.

Mit zwanzig ist das Mädchen dann, wahrscheinlich in einer Panik-Attacke während eines 'Flashbacks', vor ein Auto gelaufen und dabei verstorben.


Impressum
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2014
Alle Rechte vorbehalten
Ernst Altermann




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