Hinter kalten Augen


Inhalt

  1. Das Forschungs-Objekt
  2. So leicht stirbt man - Nicht!
  3. Wer zu leicht ist - Fliegt
  4. Küssen für Anfänger - Mit Zunge
  5. Schau mal an - Frauenlust
  6. Für alle sichtbar - Streifen-Rallye
  7. Aus Eins mach Zwei - Kernspaltung
  8. Der neue Freund - Der Rächer
  9. Nur wer schnell ist - Überlebt
  10. Des Rektors Beute - Identität
  11. Immer wieder mal - Nachts
  12. Der letzte Tropfen - Urteilsspruch
  13. Am Ende bleibt nur - Blut


Das Forschungs-Objekt

Dokumentation zum Thema Beobachtungen

Die Entwicklungspsychologie:
versucht eine Analyse der menschlichen Entwicklung unter psychologischen Aspekten. Die Grundlage ist dabei die Identifizierung derjenigen biologischen und sozialen Faktoren, die zu bestimmten psychologischen Aspekten und Verhaltensweisen beitragen und im Rahmen von intra-individuellen Altersunterschieden auftreten können.

Das Mittel der Spektral-Analyse:
basiert auf dem Grundgedanken, dass jede Zeitreihe als Summe von Sinus-Schwingungen mit unterschiedlicher Frequenz und Amplitude dargestellt werden kann. Hauptziel besteht in der Aufdeckung von Zyklen in Zeitreihen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zyklen kurzfristiger Natur sind, oder sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.


Das Objekt: HH-034-M-1966-JM
Das Alter: etwa zwölfeinhalb Jahre.
Der Ort: Spielzimmer mit Einweg-Spiegel.



Als erstes fallen die eingefallenen und leblos wirkenden Augen des Jungen auf. 
Tiefe Schatten sind unter seinen Augenbrauen zu sehen. Die fest zusammengebissenen Zähne lassen den Mund als einen dünnen Strich erscheinen. Durch die hohlen Wangen und dem starr nach unten gerichteten Blick ins Nichts erscheint das Gesicht ungewöhnlich hart. Der Oberkörper ist leicht vorgebeugt, die Schultern hängen durch, und die Arme baumeln am Körper, als würden sie ihm gar nicht gehören.

Nun, wie ein zirka zwölfjähriger Junge sieht er auf den ersten Blick wirklich nicht aus, eher wie ein alter verbitterter Greis. Für sein Alter ist er mindestens ein Kopf zu klein.
Unheimlich kommt es einem vor, wie er so dasteht.

Kurze speckige Lederhose, blau-weiß kariertes Hemd, ordentlich hochgezogene Nylon-Kniestrümpfe die ein Rautenmuster ziert. Die Füße, die in alten Sandalen stecken, stehen dicht beieinander. Auf dem Kopf sind die Haare, soweit der 'Pisspotschnitt' es zulässt, frisch auf Seitenscheitel gekämmt. Hinten ist der Hals bis zur Schädeldecke hinauf sauber ausrasiert.

Instinktiv denkt man, dass der Junge gleich, mit einem ordentlichen Diener, höflich 'guten Tag' sagt, obwohl er niemanden durch den Spiegel sehen kann.

Der Junge bemerkt im Spiegel wie die Tür sich öffnet, und Prof. Dr. K. Pawli - Fachgebiete Differentielle Psychologie, Psychologische Diagnostik, Neuro-Psychologie - den Raum betritt.

Der Kopf des Jungen zuckt, fast unmerklich mit zwei kurzen krampftartigen Bewegungen, in Richtung linke Schulter. Gleichzeitig rollen die Augen nach oben weg. Zeigen für diesen kurzen Augenblick lediglich die weißen, mit kleinen roten Äderchen durchzogenen Augäpfel.

Seine Haltung ändert sich schlagartig, reckt sich förmlich in die Höhe. Ein hämisches Grinsen zieht dabei über sein Gesicht. Eines, dass einem einen leichten Schauer über den Körper treibt, und dabei die berühmte Gänsehaut hinterlässt.

Jetzt endlich fallen die mit Muskeln bepackten Arme und Beine, sowie die breiten Schultern auf, die recht ungewöhnlich für einen Jungen dieses Alters sind. Die sehnigen Hände hat er zu Fäusten geballt, als wenn er sich in eine Schlägerei stürzen will. Die Knöchel seiner Finger sind fast weiß und zeugen von der Kraft, mit der er die Fingerspitzen in seine Handflächen bohrt. Die Füße stehen jetzt seitlich weit auseinander und die Knie sind leicht gebeugt, als müsste er einen festen Stand sicherstellen, oder jederzeit losrennen können.

Der Kopf ist erhoben und leicht nach links gelegt. Sein Blick hat jetzt etwas lauerndes, abschätzendes. Sein ganzer Anblick erinnert jetzt eher an ein sprungbereites Raubtier, als an den Jungen, den man noch vor wenigen Augenblicken vor sich hatte.

Schlagartig fühlt man sich, durch die Spiegelschicht auf seiner Seite hindurch, von dem Jungen entdeckt. Dann dreht er sich von dem Spiegel weg, wendet sich dem Professor zu.


Anmerkung:
Um was es eigentlich geht, in diesem Text?
Eine Krankheit? Wenn ja hat sie einen Namen, und den gilt es zu finden! Wie sollte man sonst den Jungen in eine der vielen Schubladen stecken können?

"Jeder hat sein Geheimnis, und es ist meist nur für Leute mit guter Beobachtungsgabe erkennbar", sagte Prof. Dr. K. Pawli mal in einer Vorlesung ...


Aber:
die nächsten Teile dieses Mehrteilers zeigen direkt mit dem Spot auf den Punkt, sind nur auf den Kern fixiert.




So leicht stirbt man? Nicht!

zum Thema Leben / Tod


Das Alter des Jungen: zirka vier Jahre.
Der Ort: das Haus, Eltern-Schlafzimmer.

Im Krankheitsfall wurden die Kinder, um der Frau das Leben zu erleichtern, und ihr Wege zu ersparen, in das Ehebett auf ihrer Seite gelegt. Als dieser Fall bei dem Jungen das erste Mal eintrat, lag der Junge mit Windpocken in eben diesem Bett.

Der Mann, selten so gut gelaunt, machte dem Jungen das Radio an.
Der Junge beobachtete den Mann dabei sehr genau, um zu lernen. Bei dem alten Radio gab es einen Trick zu beachten. Sonst war lediglich ein lautes Rauschen zu hören. Der Junge hatte schon ergebnislos versucht, irgendwie dem Radio Musik zu entlocken. Obwohl der Strom floss, wie das 'magische Auge' des Gerätes erkennen ließen, kam nur Rauschen. Der Mann nahm einen blanken Kupferdraht, steckte diesen hinten in das Radio, und schon konnte man Musik und Unterhaltungen aus aller Welt hören.

Simpel - der Draht war also der ganze Trick!
Am nächsten Tag kam die Frau Nachmittags, nach dem Frühstück das erste mal wieder, nach dem Jungen schauen.

Auch um mitzuteilen, dass sie und der Mann jetzt zum Einkaufen gingen.
'Das Radio, mach doch bitte das Radio für mich an', bettelte der Junge.
Die Frau drehte sich jedoch wortlos um, ging, und schloss die Tür hinter sich. Der Junge wartete. Bis er die Haustür zuschlagen hörte. Dann sicherheitshalber doch noch eine ganze Weile länger. Man weiß ja nie. Dann quälte er sich aus dem Bett, schleppte sich zu dem Radio und schaltete es an. Das 'magische Auge' zeigte nach kurzer Zeit das vertraute Strahlen, doch lediglich ein Rauschen war zu hören. Da der Junge aufgepasst hatte, wusste er ja, dass er nur den blanken Kupferdraht hinten in das Radio stecken brauchte.

Schon könnte er aus unzähligen Sendern einen mit schöner Musik heraussuchen.

Nur Zufall, oder vorbestimmt?
Keiner weiß es, oder wird es je wissen. Zumindest war keine Rückwand, als Schutz, hinten am Radio. Der blanke Draht in der Hand des Jungen traf somit ausgerechnet auf das Netzteil des Radios. Die nackten Füße des Jungen auf dem blanken Fußboden boten dem Strom eine gute Gelegenheit ohne größeren Widerstand zu fließen.

Durch die rechte Hand, links am Herzen vorbei, durchs Becken und am linken Fuß wieder raus. Dem Gefühl nach, aber nicht beweisbar!

220 Volt, 50 Hertz. Die idealen Vorgaben, um daran zu verrecken. Der Junge sah sich 'von oben'. Er schwebte über der Szene. Zumindest sah er es aus der Perspektive von oben, von der Decke aus. Beobachtete jetzt alles von dort. Zuvor allerdings war ein schweres schmerzhaftes Zittern und Krampfen durch seinen ganzen Körper gezogen. Hatte ihn vor Schmerzen unter dem Nachtschrank hindurch, an der Wand entlang hinauf zur Decke getrieben. Dort kehrte dann Ruhe in seinen Körper ein. Kein Gefühl war mehr vorhanden.

Friedlich fühlte er sich, wie nie zuvor – als er sich so verkrampft und verbogen unten auf dem Boden liegen sah.
'Ich wollte doch nur Musik hören', war das erste, was er nach längerer Zeit wieder krächzen konnte.

Anmerkung des Autors:
Das war das erste von drei Erlebnissen, bei dem die Person sich selber 'von oben' sah.

Zusatz-Info:
Die Narbe zwischen den Fingern, genauer zwischen dem Ring- und dem kleinem Finger der rechten Hand, wo der Kupferdraht sich seinerzeit befand, die hat Tischler mir gezeigt. Die ist selbst heute noch deutlich zu erkennen. Sogar für meine schlechten Augen, und das ohne Brille.



Wer zu leicht ist - Fliegt

zum Thema Missverständnisse

Das Alter des Jungen: zirka vier / fünf Jahre.
Der Ort: Das Haus – Haustür, Flur, Küche.

Der Mann hatte zu der Zeit ein Lieblingswort: 'Unsereins'.
Der Junge hatte es sich gemerkt. Das 'Unsereins'. Suchte seitdem eine Gelegenheit es sinnvoll anzuwenden. Eines Tage stand er auf dem Podest vor der Haustür. Wartete sehnsüchtig darauf, das der Mann endlich von der Schicht nach Hause kam.

Der Grund: die elektrischen Eisenbahn. 
Damit durfte der Junge immer nur spielen, wenn der Mann dabei war. Endlich sah der Junge den Mann in die Straße einbiegen. Der Junge rannte freudig zur Frau in die Küche und rief: 'Mama, Mama - Kuck mal - da kommt Unsereins', und rannte wieder raus, um den Mann freudig zu begrüßen. Der Mann ging aber einfach wortlos an dem Jungen vorbei ins Haus. Der Junge ging schnell hinterher. Die Frau begrüßte den Mann mit den Worten: 'Ich habe schon gehört das du kommst. Der Junge kam rein und rief da kommt Unsereins'.
Der Junge wusste nicht das der Mann schlechte Laune hatte - weil es nicht mehr Lohn von der Firma geben sollte.

Der Junge wusste nicht, dass die Gewerkschaft beschlossen hatte zu streiken. Der Junge wusste gar nichts von Geld und solchen Sachen. Der Junge wusste nur: da kam der Mann - und der Mann nannte sich selber 'Unsereins'. Also hatte der Junge der Frau zugerufen 'Da kommt Unsereins'. Der Junge fand das passte gut. Endlich konnte der Junge das Wort einmal benutzen.

Der Junge hatte den Mann - statt 'der Mann' - einfach Unsereins genannt.

Der Mann war so schlau!
Der Mann wusste das der Junge gesagt hatte 'Da kommt ICH - der Junge'. Aber da kam ja ER – der Mann! Der Mann drehte sich nach dem Jungen um, und haute dem Jungen unvermittelt mit der geballten Faust mitten in das kleine Gesicht. 'Dir werde ich's zeigen', war der wütende Kommentar dabei.

JA - er war schon toll, der Mann.
Der Mann war So SCHLAU - So GROß - So STARK.

Der Junge wurde durch die Wucht des Schlages raus aus der Küche an das Treppengeländer auf den Flur geschleudert. Dort lag der Junge dann blutend und heulend. Der Mann knallte wütend die Küchentür zu - weil der Junge so laut war!

JA – der Junge war ein böses Kind.
Er war So DUMM - So KLEIN – So SCHWACH.

Der Junge durfte auch nicht mehr mit dem Mann 'elektrische Eisenbahn' spielen. Nicht nur an dem Tag. Lange Zeit sogar nicht. Im Grunde genommen: nie wieder.


Anmerkung:
Die erste Hürde ist von dem Mann genommen, damit gleichzeitig die Hemmschwelle erstmals gesenkt …


Küssen für Anfänger - Mit Zunge

zum Thema Unreife

Das Alter des Jungen: zirka zehn Jahre.
Das Alter des Mädchen: zirka fünfzehn Jahre.
Der Ort: Kinderzimmer – Dachboden des Hauses.

'Nun mach schon, komm wieder ins Bett', sagte das Mädchen.
Schlug auffordernd die Decke zurück. Der Anblick ihres nackten Körpers. Wie gebannt starrte der Junge auf das haarige Dreieck. Das Mädchen spreizte leicht die Beine.

Der Junge kroch wieder zu dem Mädchen ins Bett. 'Küss mich', forderte das Mädchen von dem Jungen. Also gab der Junge dem Mädchen einen Kuss. Das war unter Geschwistern nichts besonderes. Schon tausend mal passiert. Vorher.

'Noch nie richtig geküsst, so mit Zunge und allem drum und dran? Dann wird es Zeit, ich bring dir das bei', sagte das Mädchen zu dem Jungen.

Der Junge hatte schon davon gehört. Erwachsene oder Liebespaare stecken sich gegenseitig die Zunge in den Mund. Aber warum sollte der Junge so etwas je gemacht haben? Den Jungen überkam ein Schütteln. Bei dem Gedanken daran. So etwas ekliges freiwillig machen? Da kriegt man doch die ganze Spucke von dem Anderen in den Mund.

Spucke war etwas ekliges.

Anspucken ... in der Klicke des Jungen höchstes Zeichen der Verachtung! Paare machten so etwas freiwillig? Dem Jungen lief ein kalter Schauer über den Rücken. Und so lernte der Junge - nicht nur - den 'Zungenkuss' an diesem Abend kennen.

Der Junge hätte gerne wieder mit dem Küssen aufgehört. 'Langsam bekomme ich einen Krampf in der Zunge', sagte der Junge zu dem Mädchen. Versuchte sich so aus dieser peinlichen Situation zu befreien.

Zum Schlafen umzudrehen.
Jedoch.
Der Abend war noch jung ... das Mädchen hellwach!

Der Junge machte sich bald schon zum Affen. Aus Sehnsucht nach diesen Küssen – doch nicht nur nach denen.


Anmerkung:
Der Junge wollte Geborgenheit und Wärme spüren, in den Arm genommen und beschützt werden, keine Angst mehr vor den Teufeln der normalen Welt haben - OHNE eine sexuelle Gegenleistung von ihm. War das wirklich zu viel verlangt?



Schau mal an - Frauenlust

zum Thema sexueller Missbrauch

Das Alter des Jungen: zirka zehn Jahre.
Das Alter des Mädchen: zirka fünfzehn Jahre.
Der Ort: Kinderzimmer – Dachboden des Hauses.

'Ich wollte dir erst was zeigen. Warum sollte sonst das Licht an bleiben', sagte das Mädchen zu dem Jungen. Das Mädchen drehte sich im Bett auf den Rücken. Schlug die Decke beiseite. Nackt! Der Junge sollte sich ans Fußende setzten. Trug das Mädchen ihm auf. Und gut aufpassen. Lernen!

Da lag das Mädchen. Völlig nackt und unbekümmert. Die Augen geschlossen. Im hellen Licht der Lampe. Vor dem Jungen lang ausgestreckt. Das Mädchen zog die Knie an. Spreizte dabei ganz langsam die Beine. Während dessen streichelte das Mädchen sich die Brüste. Genoss die Blicke des Jungen. Dann ließ das Mädchen eine Hand langsam an sich herunter gleiten. Schob sie zwischen die Beine. Streichelte sich. Rieb sich. Fingerte sich.

Am Fußende auf dem Bett hockte der Junge. Sah zu. Lernte.

Wie der Bauch des Mädchen sich immer heftiger hob und senkte. Der Atem des Mädchen schneller wurde. Zum Keuchen wurde.

'Immer schön langsam. Vor allen Dingen sanft. Zart musst du da sein. Frauen sind da besonders empfindlich', stieß das Mädchen unter Stöhnen in die Richtung des Jungen, des Lernenden, aus.

Dann, später. Gewaltiges Zittern durchzog den Körper des Mädchen. Aufbäumen. Ein unterdrückter Aufschrei. Das Mädchen fiel auf das Bettlaken zurück. Rollte sich zitternd und zuckend zusammen. Keuchte.

Der Junge leicht panisch.
Selber noch nie einen Orgasmus bei einer Frau erlebt. War ihm nur bekannt vom 'Hörensagen'. Durch ältere Kinder aus der Klicke des Jungen. Der Junge völlig verwirrt. Hilflos, verunsichert. Der Junge konnte es sich nicht vorstellen. Das sollte also 'Spaß' machen? Sich so zu quälen, dass man dann völlig fertig und zuckend im Bett lag?

Hier endet [vorzeitig] die Beschreibung über die Lehrstunden des Jungen durch das Mädchen. Die Berichte über die Lehrstunden: 'Oral, Vaginal, Anal und andere Arten von Lust' ändert an dem Fehlverhalten nichts, würde nur Fans der 'Verbal-Erotik' befriedigen.
In der Hoffnung auf Verständnis ...


Anmerkung:
[Zitat aus dem Ordner]
Ich war immer noch müde, und versuchte mühsam ihre Worte einzuordnen. "Hast du gehört", fragend, schüttelte Ute mich heftig an den Schultern. "Kein Wort zu niemand!", fauchte sie los, und ihre Stimme wurde immer schneidender. "Wenn du - egal wem auf dieser Welt auch immer - nur ein Sterbenswörtchen davon erzählst, dann sorge ich dafür, dass man dich totschlägt", fuhr sie mich an, während ich mir noch den Schlaf aus den Augen rieb.
[Originalton]



Für alle sichtbar - Streifen-Rallye

zum Thema Gesellschaftskritik

Das Alter des Jungen: zirka neun Jahre.
Der Ort: die Schule - Turnhalle.

An der Schule fand Sportunterricht statt. Regelmäßig. Da blühte der Junge auf. Da war der Junge ganz vorne mit dabei. Bei den Mitschülern. Immer nur da!

Da war es den Klassenkameraden plötzlich ganz egal, dass der Junge ja nur ein 'kleinerMann' war. Wenn es um Fußball oder Völkerball ging, wollte jeder den Jungen gern in seiner Mannschaft haben.

Nach dem üblichen Aufwärmen und Geräteturnen. Zeit zwei Mannschaften für ein Fußballspiel zu wählen. Endlich waren alle Kinder in eine Mannschaft gewählt. Dann legte der Lehrer fest: Die Mannschaft des Jungen spielt 'Oberkörper frei'. Eine Mannschaft musste ja 'oben Ohne' spielen. War immer so. Gab ja keine Trikots. Die Mannschaften konnte man so besser auseinander halten.

Der Junge hatte zwei Tage vorher 'eine gerechte Tracht Prügel' bekommen. Doch der Mann hatte wieder mal übertrieben. Wie immer in letzter Zeit. Der Rücken des Jungen. War grün, gelb, blau, lila. Mit Striemen übersät. Kreuz und Quer.

Der Mann hätte lieber nicht den Koppel ...

Der Gürtel von der Feuerwehr-Uniform!
Zu breit. Zu dick. Zu schwer.
Für Kinderhaut jedenfalls.

Die Striemen waren allzu gut zu sehen. Weithin sogar!
Der Blick des Lehrers klebte am Rücken des Jungen. Auch die Blicke vieler Kinder. Grausten sich. Der Lehrer beschloss, dass der Junge ein Hemd überziehen und tauschen muss. Mit einem Jungen aus der Mannschaft mit Hemden. Aus Rücksichtnahme. Die armen anderen Kinder.
Das verstand der Junge nur zu gut. So schön sah das ja auch nicht aus. Auf dem Rücken des Jungen.
Aber!

Das war alles. 
Alles jedenfalls, was der Lehrer unternahm. Kein Sterbenswörtchen verlor der Lehrer. Darüber was er gesehen hatte. Zu keinem. Keine Polizei. Kein Jugendamt. Nicht einmal anonym.

Die anderen Kinder hatten zusätzlich neuen Stoff. Zum Hänseln des Jungen. Alles gut!?

Die Schule ... Die Lehrer sorgten sich um die Kinder in der Schule. Ließen den Jungen wenigsten weiterhin mitspielen. Wenn auch nur noch mit Hemd.

Aber immerhin!

Nein - Nichts neues!
Der Junge wusste da schon lange: Nie würde jemand helfen. 
Es war ja nicht das erste Mal. Die Nachbarin Nr.8 war um keinen Deut besser. Auch die ganze Siedlung schwieg – seit Jahren schon.

Anmerkung:
"Die 'schönste' Anmerkung zu diesem Vorgang erhielt ich im Februar 2010 durch einen Leserbrief. Die Antwort auf einen Artikel in einer Zeitung: '... solle sich nicht so anstellen, schlagen war damals normal ...' stand da, unter anderem.", sagte Tischler achselzuckend, als wir diesen Text ausarbeiteten.



Aus Eins mach Zwei - Kernspaltung

zum Thema Zerstörung

Das Alter des Jungen: fast acht Jahre.
Der Ort: Wohnzimmer des Hauses.
Zeit: Tiefschlaf, zirka 23 Uhr Nacht.

'Er möchte doch bitte runter ins Wohnzimmer kommen', rief der Mann den Jungen. 
Der Junge rannte gehorsam. Die Treppen runter. Rekordzeit zum Wohnzimmer. Von Angst und Panik getrieben. Dort saß die Frau. Wie eine Königin. In der Mitte des Sofas. Grinste den Jungen kalt an. Auf dem Tisch vor der Frau: eine große Packung Pralinen.

Schon halb leer gefressen. Vor lauter Kummer. Der böse Junge. Der Mann stand vor dem Fernseher. Hände auf dem Rücken. Er forderte den Jungen auf das Nachthemd auszuziehen. Dann näher zu kommen. Der Junge konnte den schweren Lederkoppel der Uniform sehen. Für einen kurzen Augenblick. Der Mann spielte damit. Ungeduldig hinter dem Rücken. Der Junge wollte erklären. Kam nicht weit.

Keine Debatte. Stillhalten und aufrecht sterben. Mehr sollte der Junge nicht.

Es machte 'Klick' im Kopf des Jungen. Laut und scharf. Innerlich. Von da an war dem Jungen alles egal.

Der Mann und die Frau sollten doch ruhig ihren Spaß haben. Der Junge beschloss: Die Stunde würde kommen. Dann würde der Junge kein Recht und keine Gnade mehr kennen. Mit niemanden!

Der Junge machte wie ein Roboter was der Mann verlangte. Das Nachthemd ausziehen. Sich nackt über die Sessellehne legen. Die Frau sollte gut sehen können.

Dann brutale Schläge. Egal wohin. Hauptsache getroffen. Unausweichlich. Mit dem schweren Lederkoppel. Alles ertragen, auch die eiserne Schnalle. Haut platzt, Blut rinnt. Wahllos prasselten die Hiebe auf den Jungen nieder. Endlos lange.

Eines machte der Junge diesmal nicht. Laut nach Hilfe schreien. Den Schlägen ausweichen. Sollte der Mann den Jungen doch endlich totschlagen. Dann wäre es endlich für immer vorbei. Nie wieder müsste der Junge die hässlich grinsende Fratze von der Frau sehen. Die sich vor Aufregung, beim Zusehen der Hinrichtung des Jungens, Pralinen ins Maul stopfte.

Der Mann. Wie ein Berserker drosch der Mann auf den Jungen ein. Wollte der Frau die erwarteten Schmerz- und Hilfeschreie des Jungen bieten. Aus dem Jungen rausprügeln. Der Mann hatte extra den Fernseher laut an gemacht. Wegen der Nachbarn. Damit man die Schreie nicht so laut hören konnte.

Aber der Junge biss sich die Lippen blutig. Damit der Mund nicht dem Verlangen nachgeben konnte. Dem nach Schreien. Dem Vergeblichen - nach Hilfe!

Der Junge war beim Klick im Kopf gestorben. Hier litt ein Anderer für ihn!

Der Junge war nur noch Hülle. Sollten der Mann und die Frau doch damit ihren Spaß haben. Aber nicht mehr mit dem Geist des Jungen. Die Seele. Das würden der Mann und die Frau nicht mehr brechen können. Hatten sie doch die Grenzen des Erträglichen einfach viel zu weit überschritten.
Der Mann und die Frau hatten an dem Abend einen 'Zwilling' erschaffen.

Zusatz:
Den ganzen Tag hatte die Frau den Jungen mit 'Warte bis Papa kommt ...', und den Einzelheiten, was dann folgen sollte, schon gefoltert. Psycho-Terror pur! Der Mann machte es tatsächlich. Der Frau sei Dank, denn sie sorgte dafür!

Das konnte der Junge alleine nicht länger ertragen.
Eine der sieben Todsünden 'brach dem Jungen das Genick':

Hochmut (Eitelkeit, Stolz, Übermut)

Der Junge war nach der Schule alleine Zuhause, da die Frau noch nicht vom Einkaufen zurück war. Voller Stolz darüber, dass er das zweitbeste Zeugnis der Klasse erhalten hatte, wollte er der Frau noch zusätzlich eine Freude machen, damit auch sie ihn endlich mal loben würde. So ging er [verbotener Weise] in 'die gute Stube' um Staub zu wischen. Bemerkte die Rückkehr der Frau nicht. Die den Jungen prompt anschrie. Der sich - in Gedanken versunken - zu Tode erschreckte. Den Porzellanhund, den er gerade reinigte, dabei zerbrach. Den Gewinn aus einer Feuerwehr-Tombola.


Anmerkung: 
ohne Worte ...


Der neue Freund - Der Rächer

zum Thema Psychologische Phänomene

Das Alter des Jungen: von fast acht / zwölfeinhalb Jahre.
Der Ort: die Siedlung.

Es gab ein neues Kind in der Siedlung. Keiner hatte das Kind vorher je gesehen. War direkt nach den verhängnisvollen Tag des ersten Zeugnisses und der Hinrichtung!

Da traf der Junge das erste Mal auf das Kind. Auf den Tag so alt wie der Junge. Der Neue nannte sich selber 'der Rächer'. Irgendwie war dem Jungen der Rächer sofort vertraut. Der Rächer hatte die harten und verbitterten Gesichtszüge des Mannes, und die selben kalten Augen wie die Frau. Man bemerkte den Rächer kaum. Entweder war der Rächer selten draußen, oder einfach nur nicht zu bemerken, weil der Rächer sich meistens Abseits aufhielt.

Der Rächer sah von weitem wie ein normal Junge aus. Zu klein für sein Alter, aber ansonsten völlig unauffällig. Aber seine Spiele waren wild und unbeherrscht. Es gehörte zu den Vorlieben des Rächers Tieren bei ihrem Todeskampf zuzusehen. Ja, man könnte fast sagen 'Er studierte den Tod', so intensiv machte der Rächer sich daran Tiere beim Sterben zu beobachten. 

'Stell dich nicht so an. Du hast es doch so gewollt. Mir tut es doch selber mehr weh, als dir!' Solche oder ähnliche Sätze brüllte der Rächer dann kalt vor sich hin. Ganz auf die Art, wie der Mann es tat.

Manch einer behauptete sogar, dass der Rächer dem Jungen sehr ähnlich sei. Die mussten sich täuschen. Der Junge liebte Tiere. Die hatten dem Jungen, im Gegensatz zu den Menschen, noch nie etwas getan. Tiere waren so viel besser zu durchschauen und zu handhaben, als Menschen. Nie hatte ein Hund den Jungen angelächelt. Dabei dann zugeschlagen. Wie der Lehrer in der Schule.

Aber 'der Rächer' machte sich geradezu einen Spaß daraus, einem Hund in einem unbeobachteten Moment zu sich zu locken, um ihm dann leere Dosen an den Schwanz zu binden. Die armen Hunde rannten dann. Als wenn der Teufel hinter ihnen her war. Oft um ihr Leben. Im Fluss Fische zu fangen, nur um ihnen bei lebendigem Leib die Flossen abzuschneiden. Sie dann ins Wasser zurück zu werfen. Hummeln zu fangen. Denen die Flügel ausreißen und dann wegwerfen wie ein Stück Müll. Das war für den Rächer reiner Zeitvertreib. Das Libellen alle beide Paar Flügel zum Fliegen brauchten, hatte der Rächer auch herausgefunden. Egal ob der Rächer das vordere Paar oder das hintere Paar ausriss. Sie konnten dann einfach nicht mehr fliegen.

Und Katzen hatten nicht sieben Leben. 
Alles nur Lüge. Sie starben genauso schnell wie Ratten. Und die Schwänze der Bisamratten waren nicht giftig. Der Junge und der Rächer hatten es mal an der Frau getestet. Nichts. Außer Übelkeit. Selbst das musste noch nicht einmal von dem Rattenschwanz kommen.

Der Junge war zwar auch nicht größer als der Rächer, hatte wohl zufällig auch die selbe Augen- und Haarfarbe. 'Aber das war ich nicht - Nein, so war ich nicht', dachte der Junge entsetzt.

Ja gewiss ... 
Der Junge war eigentlich sehr gerne mit dem Rächer zusammen. Die beiden verstanden sich sehr gut. Der Rächer schien dieselben Probleme Zuhause zu haben, wie der Junge. Das verbindet. Sie sprachen zwar nie über die Sorgen des Rächers, aber wer so gut wusste wie es in dem Jungen aussah, der konnte einfach nur ähnliches erleiden. Woher sollte der Rächer sonst so gut verstehen, wie es dem Jungen geht.

Genau genommen waren die Beiden mehr 'Zwillinge in Not', als Freunde.
Aber der Rächer machte dem Jungen auch immer Angst. Nein - nicht das der Junge dachte, dass der Rächer dem Jungen etwas antun würde - nicht so.
Dem Jungen würde der Rächer nie etwas tun - das war so sicher wie das Amen in der Kirche!

Es war mehr die Art.
Der Rächer drehte total durch, wenn etwas nicht so klappte. Wie der sich das vorgestellt hatte. Dann schrie er völlig entfesselt die wildesten Beschimpfungen vor sich hin. Vor lauter Wut liefen dem Rächer dann die Tränen in Strömen übers Gesicht.

Und es kam immer so völlig überraschend. Eben noch war alles in Ordnung. Der Rächer und der Junge schmiedeten einen Plan, wie sie dem Lehrer einen ordentlichen Streich spielen könnten. Und urplötzlich griff der Rächer sich einen Knüppel der da lag, und drosch damit auf einem Hund, der hinter dem Zaun bellte, wie wild ein.

Einfach so - ohne Grund. "Dir werde ich zeigen was 'ne Harke ist - Du Bastard ...", schrie der Rächer dann wie toll vor sich hin, "ich schlag dich windelweich!".

Ganz der Originalton des Mannes, wortwörtlich. 
Wenn der Mann den Jungen prügelte. Die Stimme des Rächers überschlug sich dabei. Das Gesicht hatte sich zu einer fürchterlichen Grimasse verzogen. Die Augen blitzen auf wie Blitzlichter.

Genau so hatte der Junge sich den puren Hass vorgestellt. Den Hass, den der Mann immer trefflich beschrieben hatte, wenn der Mann über seine Heldentaten in Russland berichtete.

Und genauso plötzlich ließ der Rächer den Knüppel wieder fallen.
Sah wieder 'ganz Normal' aus. Als wäre nichts gewesen!
Nur der Atem, der Atem ging dann noch einige Zeit etwas schneller.


Anmerkung:
"Ja doch, ich bin mir da ganz sicher!", sagte Tischler, auf die Frage hin - ob ich das denn wirklich so einstellen soll. "Mir ist es egal, was die Leute denken. Wenn ich geliebt werden will, dann gehe ich in den Puff", grinst er, und seine Mine verdunkelt sich wieder zusehends.



Nur wer schnell ist - Überlebt

zum Thema Grenzen / Grenzen überschreiten

Das Alter des Jungen: von neun / zwölf Jahre.
Der Ort: die Hauptstraße und Ortseingang.

Auf dem Schulweg lehrte der Junge den Autofahrern das Fürchten. 
Besonders die LKW hatten es dem Jungen angetan. Wenn der Junge einen LKW von weitem hörte, schloss der Junge schnell Wetten ab. Ob der Junge es schaffte ganz knapp vor dem LKW über die Straße zu rennen. Der Junge fand immer einen der die Wette annahm. Der eine dachte der Junge wäre zu feige. Oder.

Der andere hoffte wohl darauf den Jungen dabei sterben zu sehen.

Der Junge gewann jede Wette. 
Bis dem Jungen eines Tages von dem Sog eines LKW die Beine weggerissen wurde. War zu knapp diesmal. Haaresbreite, sagt man. Dann hörte der Junge auf damit. Der LKW hätte den Jungen durch den Sog fast unter sich gerissen. Das der LKW viel zu schnell gerast war? Nun ja, hatte den Jungen nicht sonderlich gestört. Das war eben Risiko. Und das der LKW fast gegen einen Baum gerast war. Durch den Schock, den der Jungen bei dem Fahrer auslöste?

'Scheiß drauf', hatte der Junge gesagt. Kurierte dann lange die Folgen der 'erzieherischen Maßnahme' des Mannes aus.

_______



Eine gewöhnliche Nacht. Wie viele andere auch. Eigentlich. 

Aber nicht für den Jungen. Spannungsabbau war erforderlich, dringend nötig. Das Mädchen war nicht mehr da. War in einer Schwesternschule. Weit weg. Göttingen. Kein Kuscheln. Anschmiegen. Zärtliche Worte fehlten. Im Arm genommen werden beim Einschlafen. Aus.
Mitten in der Nacht schlich der Junge sich aus dem Haus. Durch den Keller. Wann immer der Alkoholpegel des Mannes für tiefen festen Schlaf bei ihm sorgte.

Fahrrad fahren in der Nacht. Straßen leer. Keine Menschen, verlogenes Pack!

Es gab eine neue Kreuzung, ein paar Kilometer vor der Stadt. Da war viel Verkehr, auch Nachts. Dort gab es immer viele Unfälle.

Es gab Zeugenaussagen, die Nachts ein Kind auf einem Fahrrad gesehen haben wollten. Der Junge sollte angeblich mitten in der Nacht absichtlich auf ein Auto gewartet haben, um dann ganz knapp vor dem Fahrzeug über die Straße zu fahren. Ohne Licht. Mitten in der Nacht. An einem Freitag.

Aber wer weiß das schon so genau.
Unbewiesen!


Anmerkung:
"Der Fehler lag darin, dass es nie einer schaffte mich endlich 'platt zu machen', ich immer wieder davongekommen bin. Selbst der scheiß Knochenmann war auf meiner Seite, damals jedenfalls noch. Wir waren ja sogar Freunde geworden!", vertraut Tischler mir in einer 'ruhigen Minute' an.




Des Rektors Beute - Identität

zum Thema Identität

Das Alter des Jungen: fast elf Jahre.
Der Ort: die Schule – Flur, Zimmer des Rektors.

Der Junge wurde, mal wieder, vom Lehrer vor die Tür gestellt. Gerade machte der Junge sich daran die Jacken dort nach Zigaretten zu durchsuchen. Die großen Jungs hatten ja immer welche dabei.

Der Rektor schlich über den Flur. Erwischte den Jungen dabei. Wie er in den Taschen der Jacken herum fummelte.

Am Ohr hinter sich her ziehend, schleppte er den Jungen mit in sein Büro. Man merkte, dass er unter 'Adolf' als Offizier gedient hatte. Zackig hielt er eine Ansprache über Zucht und Ordnung. Auf dem Weg zum Büro. Über: 'Kameraden, Diebstahl, und das man beim Militär dafür erschossen worden wäre'.

"Setzt dich da hin", schnauzte der Rektor den Jungen an. "Sag mir sofort deinen Namen. Ich werde dich von deinen Eltern abholen lassen. Für dich ist hier kein Platz!". Seine fette Hand langte nach dem Hörer des Telefons, und sein Bart zitterte vor Wut. Egal. Dachte der Junge. Sagte dem Rektor den Namen und das die Familie kein Telefon hatte.

Der Rektor rief den Schuldiener, besser Hausmeister. Ließ ihn den Klassenlehrer des Jungen in das Büro holen. Der Lehrer war hoch erfreut. War dem Lehrer auch nicht zu verdenken.

Der Lehrer hatte es wirklich nicht leicht. Mit dem Jungen. War der Junge doch nur noch ein 'Störenfried'. Seit der zweiten Klasse schon. Der Lehrer und der Rektor tuschelten eine Weile herum, und dann verschwand der Lehrer wieder. Der Rektor kramte eine Akte aus dem Schrank. Setzte sich breit in seinen Sessel. Starrte den Jungen über den Brillenrand an.

"So so. Du meinst also, dass du mich einfach so belügen kannst. Ich gebe dir noch eine letzte Möglichkeit die Wahrheit zu sagen. Also, wie heißt du", sagte er mit einer Ruhe, die den Jungen hätte misstrauisch machen müssen.

Aber der Junge hatte dem Rektor doch ohne viel Theater seinen Namen gegeben. Dem Jungen war doch sowieso alles egal. Was wollte der Rektor nur damit erreichen? Der Junge nannte also fest, mit lauter Stimme, erneut Namen, Adresse und '... wir haben kein Telefon. Das habe ich ihnen doch schon gesagt". 'Sie Arschloch', hatte der Junge nur gedacht. So viel Anstand besaß der Junge zu diesem Zeitpunkt noch. Noch.

"So so, jetzt habe ich dich Bürschchen. Du hast schon wieder angelogen.

Aber das ist 'von so einem wie dir' ja auch nicht anders zu erwarten gewesen. Man gut, dass wir hier unsere Akten haben", schnauzte er den Jungen von oben herab an.

Der Junge dachte er höre nicht richtig.
"Dann kommen sie doch mit mir in meine Klasse ... da können ihnen alle sagen ob ich so heiße oder nicht. Es steht auch auf allen meinen Heften und Büchern so drauf", versuchte der Junge ihn zu überzeugen, hatte ausnahmsweise mal wirklich nicht gelogen. Was machte der Rektor so ein Theater?

"In meiner Akte steht aber, das du Jürgen Mustermann heißt. Die Familie 'kleinerMann' ist nicht deine. Die haben dich nur aus einem Heim geholt. Sind deine Pflegeeltern!

Willst du mich jetzt immer noch anlügen - obwohl es hier 'Schwarz auf Weiß' steht", brüllte der Rektor los.

Der Junge verstand gar nichts mehr.
'Ich war also gar nicht ICH. So stand es in 'seinen Akten'. Meine Eltern waren also nicht meine Eltern? Pflegeeltern. Ich komme aus einem Heim? Was für ein Unsinn. Da war doch irgendwas völlig aus dem Ruder gelaufen! Hatte er die falsche Akte aufgemacht? Aber er hatte doch Familie 'kleinerMann' gesagt. Davon gab es doch nicht so viele in unserer Stadt. Seit Opas Tod eigentlich doch nur noch uns!', wirbelten die Gedanken durch den Kopf des Jungen.


Aber SO ergab es auf einmal alles einen Sinn! 

Außer eben - dass der Junge, der ja davon betroffen war, anscheinend der Einzige in der ganzen Stadt war, der es nicht wusste. Der Junge hatte treu und brav auf den Schulbüchern und Heften 'kleinerMann' stehen. Als Familiennamen. Sein Namen eben.
Kein Lehrer der Welt, kein Erwachsener oder sonst wer, hatte den Jungen je anders genannt!


'Ich trug also nicht Narben mit mir herum, die mir mein Vater, oder Papa oder wie auch immer, beigebracht hatte, sondern von einem Fremden, der mich nur 'gnädig' bei sich aufgenommen hatte - wie einen streunenden Hund?', dachte der Junge, 'Das konnte doch nicht sein. Das musste sich doch als ein Fehler herausstellen'.

Dem Jungen liefen die Tränen. Der Junge schaute dem Rektor gegenüber fassungslos ins Gesicht. Der Rektor aalte sich genussvoll in seinem Sessel. Sah dabei zu, wie die Welt des Jungen sich in Scherben auflöste.

"Das muss doch alles ein furchtbarer Irrtum sein", versuchte der Junge den Rektor zu überzeugen. Das der Rektor sich geirrt hatte. Das Grinsen des Rektors wurde noch breiter. Stieß ein hämisches: "Lügen haben kurze Beine - wie man bei deiner Größe ja gut sehen kann", aus und brüllte dann wieder los: "Aber Akten sind Tatsachen.

Was da drin steht", hieb dabei bedeutungsvoll mit seiner Hand auf seine heißgeliebte Akte, "ist und bleibt nun mal die Wahrheit".

Der Rektor schien begriffen zu haben, dass der Junge für ihn nun nicht mehr zu gebrauchen war. Der Junge konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Junge löste sich immer mehr in Tränen auf. Der Rektor entließ den Jungen gnädig, mit der Ermahnung: "Lass dich nicht noch mal von mir erwischen", aus dem Zimmer auf dem Hof, wo inzwischen die anderen Kinder in der Pause tobten.

______


Der Junge ging nicht auf den Schulhof - und erst recht nicht in die Klasse zurück.

'Nicht deine Eltern - du hast keine Eltern', kreiste es dem Jungen im Kopf herum. 

 Die Frau die den Jungen so hasste. Nicht die Mutter? Der Mann - dessen Hobby es war den Jungen zu Brei zu schlagen. Nicht der Vater? Jetzt wurde dem Jungen klar, warum die Frau und der Mann überhaupt dazu in der Lage waren. Den Jungen so zu behandeln. Nicht ihr Kind. Wirklich ganz einfach, die Erklärung.

Fremde Kinder, die konnte man ja ruhig so behandeln. Dazu waren die ja schließlich da. Die sollten doch froh sein, wenn sie was zu Essen und zum Anziehen bekamen.

Was sollten die dann noch mit Liebe und Geborgenheit? Und Geborgenheit hatten der Junge doch! Es waren doch Wände da und ein Dach auf dem Haus. Das reicht doch aus. Als Geborgenheit.

An diesem Tag trieb ein einsames Ruderboot auf der Elbe. Vom Sog der Ebbe gezogen. Richtung Nordsee. Nur mit dem Jungen darin.

Nordsee ist Mordsee.
So hörte der Jungen mal. Im Geschichts-Unterricht war das.
Sturmflut und Runghold war das Thema.


Anmerkung:
"... eigentlich wollte ich ja über die Prügelstrafe an der Schule schreiben, von wegen: mit dem Lineal auf die ausgestreckte Hand schlagen, wie es der Lehrer so trefflich beherrschte ... oder der Rektor mitsamt Rohrstock besonders gut drauf hatte - inklusive Erniedrigung 'vor versammelter Mannschaft'!

... aber dann brach sie aus mir raus ... eine meiner schmerzlichsten Erinnerungen, als ich den Rektor wieder vor Augen hatte ...", erklärte er mir das Zustandekommen dieses Textes.



Immer wieder mal - Nachts

zum Thema Verlangen

Das Alter des Jungen: von neun / zwölf Jahre.
Der Ort: Das Haus - Eltern-Schlafzimmer.

Es ist dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. 

Im Bett, unter schweren Federdecken verborgen, zeichnen sich zwei Körper ab.
Einer auf der linken Seite, einer auf der rechten Seite des Ehebettes. Auf der linken Seite liegt die Frau. Ab und zu ist ein Grunzen und Stöhnen zu vernehmen, während auf der rechten Seite von dem Mann ein schweres lautes Schnarchen zu vernehmen ist. Sein Atem ist vom Alkohol geschwängert.

Der Junge ist auch in diesem Zimmer. Er steht rechter Hand am Kopfende des Ehebettes. Barfuß ist er. Mit einem langärmeligen knöchellangen weißem Nachthemd bekleidet. Zirka ein Meter groß und hager. Schwer einzuschätzen im halbdunklen, von hinten im Nachthemd.


Der Junge zittert.
Sein Atem geht schwer.

Die Haltung ist verkrampft. Der Kopf wiegt hin und her. Er steht schon lange da. Ist wohl noch unschlüssig. Sich nicht sicher? – zögert.

Endlich regt er sich, dreht sich wortlos um, verlässt auf Zehenspitzen wieder das Zimmer. Auf dem Flur hört man seine nackten Füße über den Linoleum-Belag patschen. Dann leise die Holztreppe zum Erdgeschoss runter, sorgfältig dabei die dritte Stufe von oben meidend, da diese stets jedes Betreten mit einem höllisch lautem Knarren quittiert.
Im Erdgeschoss geht es neben der Haustür zur Küche und gerade aus zum Wohnzimmer.

Rechts neben der Wohnzimmertür öffnet er vorsichtig und langsam die leise quietschende Tür zum Keller. Er geht die Kellertreppe aus Holz runter, tapst über den nackten Zementboden an der Waschküche, die auf der linken Seite ist, vorbei zu dem großen Hauklotz, der in der Mitte des hinteren Kellerraumes steht, hin. Dort verharrt er eine ganze Weile regungslos.

Schaut sich ausgiebig Bilder, die sich in seinem Kopf zeigen, an.

Blut! - Die Tapete, die mit dem kleinen Blumensträuße als Muster. Das Bild der halbnackten Spanierin.

Dort an der Wand, am Kopfende des Ehebettes. Sie sind nach oben hin mit immer kleiner werdenden Spritzern von Blut überzogen. Langsam läuft das Blut zäh und klebrig an der Wand runter. Hinterlässt rote Bahnen der Rache und des Hasses.

Auf dem Kopfkissen, der Kopf des Mannes. In der Stirn steckt, von der Nase an hinauf zur Schädeldecke tief eingedrungen, eine Axt. Liegt so dort der Kopf, in einem Meer aus Blut. Leuchtend Rot. Matsch und Knochensplitter, die sich aus dem Schädel an der Axt vorbei den Weg bahnen, um sich grau und breiig zu dem Blut auf dem Kopfkissen zu gesellen.
'Wann habe ich endlich die Kraft es wirklich zu machen', stöhnt der Junge auf, bevor er seine Arme weit über den Kopf hoch reißt, und, mit aller Kraft die er aufzubieten vermag, die Axt stellvertretend in den Hauklotz treibt. 


Eine Weile bleibt er noch stehen. 

Hofft auf weitere Bilder, die ihm seine Rachegelüste und der unendliche Hass vorgaukeln könnten. Irgendwann gibt er auf. Er dreht sich vom Hauklotz weg. Macht sich auf den Weg in sein Bett, das auf dem Dachboden auf ihn wartet. Halbwegs zufrieden, da er immerhin wenigstens die Bilder, wenn auch nicht die Wirklichkeit, erlebt hatte, dreht er sich um und schläft tief und fest ein.


Anmerkung:
"Kann sein, dass die Erzählungen von den 'Heldentaten' des Mannes - allzu blutig ausgeschmückt, für Kinder jedenfalls - dazu führten ...
sicherlich hatten auch die Krimis [Jerry Cotton] und die Kriegs-Romane [der Landser] damit zu tun. Die las ich ja inzwischen tonnenweise. Hatte der Mann säuberlich in Kartons auf dem Boden bei uns stehen ...
ich hatte verdammt oft Stubenarrest, viel Zeit zum Lesen und Hassen!

Genauso wie ich die Liebesromane der Frau eines Tages auch angefangen habe zu lesen ... um Ute 'besser händeln' zu können. [vollsülzen!]

Davon standen ja auch hunderte in Kartons verpackt oben rum. Wovon Frauen träumen - säuberlich aufgeschrieben, auf 32 Seiten...", sinniert er vor sich hin.




Der letzte Tropfen - Urteilsspruch

zum Thema Aufwachen

Das Alter des Jungen: knapp über zwölf Jahre.
Der Ort: die Siedlung.

Der Mann kam eines Tages von der Arbeit nach Hause und trommelte die Kinder zusammen. Sie sollen freiwillig erzählen was sie angestellt hatten.

Dann wird der Mann Gnade vor Recht ergehen lassen, und nicht dafür sorgen das sie ins Kindergefängnis müssen. So verlangte der Mann von den Kindern.

Die Kinder wussten von nichts. Jedenfalls von nichts, was sie ins Gefängnis bringen könnte. Sicher, sie waren keine 'Engel'. Doch zu dem Zeitpunkt hatten die Kinder noch ihre Grenzen. Es gab Sachen, die sie einfach nicht machten.

Würde der Mann sonst aufrecht vor den Kindern stehen. Noch drohen können? NA ALSO!
Der Mann haute dem Jungen und seinem Bruder mit dem Schrei: "Ihr feiges Pack", und dann ruhiger, aber mit dem fiesen Unterton in der Stimme: "Wie oft habe ich euch schon das gesagt? Wenn man Scheiße baut, muss man auch dafür gerade stehen", ein paar schallende Ohrfeigen.

Dann schnappte er die Kinder am Arm, und zog sie mit den Worten: "Das war es! Jetzt gehen wir zu Frau Maier und machen eine Gegenüberstellung. Die wird euch schon erkennen. Und dann schlag ich euch eigenhändig tot! Wegen euch kann ich mich schon nirgends mehr sehen lassen.

Was sollen die Leute nur von uns denken", aus dem Haus, durch die Siedlung in Richtung Hauptstraße. Die Kinder die auf der Straße spielten riefen den beiden Jungen Gemeinheiten hinterher, wie es seit längerer Zeit 'Gang und Gebe' war. Der Mann aber hörte das alles nicht.

Er war zu SCHLAU - zu GROß - zu STARK und zu sehr in Sorge um seinen guten Ruf!

Frau Maier, eine nette ältere Dame. Alle Kinder mochten sie. Hatte immer so leckere Sachen. Die waren auch nicht besonders teuer.

Sie hatte im Keller einen Hausverkauf. Alle Kinder gingen, wann immer irgendwie[?] ein paar Pfennige oder Groschen zusammen gekommen waren, dort hin und kauften Leckereien. Frau Maier hatte alles da, was Kinder so mochten.
Auch lecker Eis. Wenn der Junge mal genug Geld zusammen geklaut hatte, nahm der Junge aus der Küche einen Teelöffel und holte sich dann dort ein riesiges Eis. Eine ganze Familienpackung Fürst Pückler. Damit setzte der Junge sich an den Graben und löffelte das ganze Eis alleine aus. Der Junge brachte schon lange seinen Geschwistern nichts mehr mit.

Nicht so wie damals, die Bonbons vom Lotto-Laden, als Kleinkind. Dafür hatten die 'Brüder' den Jungen schon zu oft betrogen, belogen und verpetzt!

Dorthin zog der Mann die Jungen jetzt hinter sich her. Und die Jungen wussten von nichts. Hatten absolut gar keine Idee, was der Mann eigentlich von den Jungen wollte. Konnte man doch sehen, dass die Jungen nicht wussten was los ist. Wenn man wollte! Aber der Mann hatte mal wieder nur Augen für sich und 'seinen Ruf'. Der Junge wollte - und konnte sich 'Gott sei Dank' nicht mehr - an jede einzelne Drohung und Verfluchung von dem Mann erinnern.

Aber ...
Es war schlimm! Obwohl die Jungen nichts gemacht hatten, dem Ganzen ruhig entgegen gehen konnten. Der Mann schaffte es trotzdem, dass die Jungen sich wünschten nicht auf der Welt zu sein. Denn ganzen Weg bedrohte er die Jungen. Mit allen möglichen und unmöglichen Strafen. Zog die Jungen gnadenlos hinter sich her.

Fast zwei Meter groß. Der Mann.
Einen gewaltigen Schritt am Leib. Die Jungen konnten nur halb so große Schritte machen. Aber in den Augen des Mannes gingen die Jungen absichtlich nicht so schnell.

Um die Gegenüberstellung herauszuzögern. Schuldeingeständnis.
In den Augen des Mannes!

JA - es waren böse Kinder zu DUMM - zu KLEIN - zu SCHWACH - und unschuldig!


Frau Maier sah die Jungen nur kurz an. Sagte dem Mann gleich, dass diese Jungen es nicht waren. Im Gegenteil, sie nahm die Jungen sogar in Schutz. "Ach Herr 'kleinerMann', die beiden netten Jungs würden so etwas doch nie machen. Wir kennen uns doch viel zu gut. Die helfen mir sogar mal beim Kisten stapeln. Für ein paar Bonbons lediglich".
Kommentar des Mannes auf dem Rückweg: "Seid froh das ihr das nicht gewesen seid! Ich hätte euch eigenhändig in der Elbe ersäuft!“. Später an der Haustür: „Die paar Ohrfeigen sind auch nicht so schlimm. Die waren denn halt für etwas, von dem ich nicht weiß!".

Der Mann hatte sich - bis zum letzten Tag an dem der Junge ihn sah - nie dafür Entschuldigt.

"Davon stirbt keiner", so schloss der Mann das Kapitel für sich ab ...

WENN DER MANN SICH DA MAN NICHT IRRTE!

Das Maß war damit übervoll. 

Jetzt ging es nicht mehr nur um Hass! Purer abgrundtiefer Hass. Nein. Auch um NOTWEHR. Der Mann hatte doch mit 'in der Elbe ersäufen' gedroht. Und DAS meinte der Mann bitter ernst. Der Junge kannte dieses kalte paar Augen, den Gesichtsausdruck, und den Ton in der Stimme.

Der Junge war ein guter Beobachter geworden!

Nach diesem Vorfall waren die Jungen sich schnell einig. Jetzt schnell handeln. Um zu Überleben. Waren sich endgültig sicher. Weder die Frau, noch der Mann hatten ein Recht dazu noch länger unter den Lebenden zu verweilen. Die Jungen zu quälen und zu foltern.

Wer sich nicht wie ein Mensch benehmen kann, mit Kindern so umgeht wie es sich noch nicht einmal Tiere erlauben würden, der sollte jämmerlich zugrunde gehen. Alles was die beiden Verbrecher noch davon abhielt die Junge wirklich tot zu prügeln, wohl nur noch - dass es ihren Ruf geschadet hätte.

Aber so manches mal waren die Jungen mehr tot als lebendig. Wenn der Mann und die Frau irgendwann wieder von ihnen abließen.



Am Ende bleibt nur - Blut

zum Thema Ende

Das Ende des Lebensabschnitts bei Pflegeeltern - Anfang 1966.


Das Alter des Jungen: zwölfeinhalb Jahre.
Der Ort: der Schrebergarten am Rand der Siedlung.

Die Hände des Jungen hielten die Hacke fest umklammert.
Die Knöchel schimmerten weißlich im Mondschein . So fest umklammert. Atem keuchte. Erschöpfung ...


Überall Blut. 

Endlich nahm der Junge auch den Geruch wahr. Urin. Warmer Inhalt der Gedärme. Gallensaft. Magensäure. Vermengte sich mit von Blut getränkter Erde. Ein übler Geruch. Geruch eines gewaltsamen Todes. Ein Geruch den es kein zweites Mal gibt.

Auf dem Boden vor dem Jungen: Eine riesige Blutlache. Ein Haufen zerfetztes Fleisch mittendrin. Nichts regte sich dort mehr. Absolut nichts mehr. Nicht der kleinste Hauch von Leben mehr drinnen – soviel war sicher!


Der Junge hatte sich das irgendwie ganz anders vorgestellt. Befreiend?
Der Junge fühlte sich nur unheimlich leer. Und hilflos.

Während des Massakers hatte der Junge, genau so wie der Mann oder die Frau bei ihren Prügel-Attacken, hasserfüllt geschrien.

Laut, hasserfüllt, verzweifelt - aber irgendwann dann auch genussvoll - geschrien!

'Einen für Papa - ein für Mama', schrie der Junge sich Wut, Hass und Verzweiflung von der Seele. Dabei, mit aller Kraft die der Junge aufbieten konnte, mit der Hacke immer und immer und immer wieder - blind vor Hass und Wut - zugeschlagen!

Hat auch wirklich alles raus geschrien dabei. 

Alles das, was sich seit fast 8 Jahren in dem Junge an Schmerz, Ungerechtigkeit, Missachtung, Lieblosigkeit und Gewalt angesammelt und aufgestaut hatte. Die Opfer - restlos zerstückelt. Mit der scharfen Klinge der Hacke. Und seiner Muskelkraft. Gliedmaßen abgetrennt. Schädel gespalten. Därme zerfetzt.
War in Blutrausch gefallen. Ungehemmt, ungebremst.
Einen Brei an Blut und Fleisch hinterlassend, als die Kraft ihn endlich verließ.

Wie der Junge es von der Frau und dem Mann gelernt hatte.
So wie sie es machten. Wenn sie – seit Ute weg war immer häufiger, sogar wegen Kleinigkeiten, zuletzt auch grundlos - den Jungen brutal misshandelten. So machte der Junge es ihnen gleich. 


Kalt, hartherzig, brutal, rücksichtslos und hasserfüllt.
So unendlich voller Hass... und Missachtung seinen Opfern gegenüber.


Abschluss:
Am nächsten Tag wurde der Junge, oder was von ihm über war, vom Jugendamt Hamburg abgeholt, endlich aus 'seiner Hölle' befreit.

Allerdings, statt einer Einweisung in die psychiatrische Klinik Eppendorf, war das Ziel lediglich: Averhoffstraße in Hamburg, Notaufnahme, Aufbewahr- und Verteiler-Station der 'Fürsorge' für die Kinderheime der Umgebung. 


Dort wurde der Junge, der sich in dem Zustand des 'selektiven Mutismus' befand, dann auch von unterschiedlichen Psychologen 'begutachtet'. Dann, Wochen später, in ein Durchgangs-Kinderheim in Hamburg / Volksdorf, eine weitere Aufbewahr- und Verteiler-Station, verlegt. 


Scheinbar war der Junge nicht auffällig genug gewesen, um in einer Fachklinik aufgenommen zu werden, und so von Fachleuten Hilfe zu bekommen...


Anmerkung:
"Wer weiß, wenn ich damals in Behandlung gekommen wäre ... aber so blieb letztlich alles beim Alten, denn im Heim ging es teilweise auch heftig zu. Egal, das ist eine ganz andere Geschichte!", sinniert Tischler vor sich hin.


____

Alle Texte dieser Reihe sind lediglich die höchsten 'Amplituden' – die Spitzen des Eisbergs.Die Grund-Frequenz, also das 'Mittel' - die 'Nulllinie', auch 'Grundrauschen' genannt – war allzeit auf hohen Niveau.


Der Autor: 

Danke dafür, wenn diese Serie von Texten von "unflätigen" Kommentaren verschont bleibt.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen