Samstag, 24. Januar 2015

Am Anfang war kein Licht

Szene zum Thema Mutter

"...erzähl doch nicht so einen Blödsinn, jeder Mensch hat eine Mutter", widerspricht sie mir einfach.

"kann sein... erzähl mir mal, was denn deiner Meinung nach eine Mutter ist", entgegne ich genervt.

Bei dem Wort 'Mutter' überzieht meine Zunge stets ein pelziger Geschmack. Wie Schimmel auf dem Brot - so grau und dick und auch staubig.

Normalerweise rede ich nicht darüber. Vergangenheit...

Ha, Kindheit... bin nie Kind gewesen!
Habe es eingesponnen, in einen Kokon aus Stacheldraht. Hochsicherheits-Trakt! Scheiß Liebe, scheiß Zufriedenheit nach einem guten Fick - was lockst du nur aus mir raus.

"Nun ja, sie hat dich geboren, geliebt, genährt, getröstet, gepflegt, im Arm gehalten, gestreichelt, geküsst und vieles mehr", legt sie sich ins Zeug, um mich eines Besseren zu belehren, "...ich könnte ja noch weiter aufzählen, was eine Mutter ist - aber das weißt du doch selbst", beendet sie ihre Fleißarbeit mir Selbstverständlichkeiten zu erklären.

Während ich nach dem Feuerzeug greife, stoße ich: "Ja eben, dass weiß ich selbst", hervor, stecke mir meine Kippe an, und ziehe den Rauch tief in meine Lungen, "... und deshalb kann ich ja auch sagen ICH habe keine Mutter, hatte sie nie...", beende meinen Satz damit, während der Rauch meine Worte gnädig einhüllt.

Ungläubig schaut sie mich an.
"Wie meinst du, erklär mir das doch mal", fordert sie mich bittend auf.

Mein alter Hass bricht auf, ich presse mit eiskalter und schneidender Stimme: "Nun, meine 'Mutter' war lediglich eine Gebärmaschine, ein Uterus, nicht mehr", aus mir heraus. Ich winde mich aus ihrer Umarmung, ziehe krampfhaft an der Kippe - und dann bricht der Damm und es quillt aus mir raus:

"Genauso gut hätte ich auch ein Reagenzglas bei der Zeugung und ein Brutkasten zum Reifen als Mutter haben können...", keife ich los, wische mir hektisch über die Augen, keine Tränen zulassen wollend.

'Du bist Rudi Knallhart', rufe ich mich gedanklich zur Ordnung, fahre trotzdem mit meinem Anfall fort.

"Verblüffende Ähnlichkeit hatte sie damit... pass auf, ich zähl mal auf:
- mich lustlos und aus Langeweile gezeugt, um einen Kerl an sich zu binden, zu halten,
- mich versteckt und verleugnet ausgetragen, - mich nach 9 Monaten ausgeschissen und         
 verachtet,
- mich achtlos rumliegen und rumkrabbeln lassen, lieber gesoffen und gefickt, so ungehemmt, auf das eines Tages Leute vom Jugendamt mich ihr wegnahmen und ins Heim steckten..."

Kraftlos versiegte mir der Redefluss.

Da war sie, diese scheiß verfluchte Träne.
Nein, nicht weil ich keine Mutter hatte, sondern lediglich mein Selbstmitleid hatte sie mir entlockt.

Mit beißender Ironie und unsäglicher Bitternis in der Stimme brachte ich noch ein: "Ja, eine Mutter, für wahr! So gesehen - ODER?", hervor, bevor ich weinend auf ihre Brust sank und versuchte meinen Hass wieder loszulassen.


Anmerkung:
Nein - ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort mehr!



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